Der Spiegeltaucher – Am Montag im »Spiegel«

Leipzig, 10. Februar 2008, 12:50 | von Paco

Gibt es eigentlich außer Oliver Gehrs niemanden, der einen auf den aktuellen »Spiegel« vorbereitet? Wir haben schon mal vorgelesen und geben hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Artikel aus den einzelnen Ressorts der morgen erscheinenden Ausgabe 7/2008 (11. 2. 2008), Titel: »Der Messias-Faktor. Barack Obama und die Sehnsucht nach einem neuen Amerika«. Eine Kompakt-Version dieser Vorschau gibt es bei medienlese.com, das komplette Inhaltsverzeichnis bei spiegel.de.

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HAUSMITTEILUNG

Los geht’s: In der »Hausmitteilung« (S. 5) gibt es selbstkritische Worte zum schlecht geplanten Wechsel in der Chefredaktion. Außerdem werden Modernisierungen unter dem neuen Führungsduo Georg Mascolo/Mathias Müller von Blumencron versprochen.

DEUTSCHLAND

Ralf Neukirch und René Pfister beschreiben die CDU als »Kanzlerwahlverein« (S. 28-30). Angela Merkel käme ganz ohne CDU-Nostalgie aus und könne daher die Rituale der »Männerpartei CDU« ignorieren. Geschult an den nötigen Kompromissen bei der Arbeit in der Großen Koalition, umarme sie widersprüchliche Positionen lieber statt Polarisierungen Raum zu geben und so die Kontur der Partei zu schärfen. Das könne für die CDU ein Problem werden. Kritik aus den eigenen Reihen habe sie nicht zu befürchten, denn die Riege der CDU-Ministerpräsidenten sei zu einer »ziemlich kläglichen Truppe« geworden.

Die Oldenburger Ausstellung »Kaiser Friedrich II. 1194-1250. Welt und Kultur des Mittelmeerraumes« sei »die erste Ausstellung auf deutschem Boden«, die sich allein dem Stauferkönig widmet, schreibt Klaus Wiegrefe (S. 46-48). Ursprünglich sollte Friedrich vor allem als Vermittler zwischen Morgen- und Abendland zelebriert werden. Nach Protest von Historiker zeichnet die Ausstellung nun offenbar ein differenzierteres Bild, zu dem sowohl Friedrichs Reformen und seine Förderung der Wissenschaften als auch seine »nachweisliche Grausamkeit« gehören.

Ein siebenköpfiges Autorenteam schildert ausführlich die Verdachtsmomente, die sich zur Ludwigshafener Brandkatastrophe vom letzten Sonntag angesammelt haben (S. 36-38). Die Polizei ermittele in alle Richtungen, und die »Spiegel«-Redakteure skizzieren die kursierenden Thesen und Indizien. Sie beleuchten vor allem auch die politischen Dimensionen, die Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis, zu denen die unterschiedlichen Vermutungen und vorschnellen Anklagen geführt haben.

GESELLSCHAFT

Mal eine halbwegs gute Nachricht zum Thema Jugendgewalt gibt es im »Gesellschafts«-Ressort (S. 54-58). Fiona Ehlers berichtet vom baden-württembergischen Jumega-Projekts (»JUnge MEnschen in GAstfamilien«), das schwererziehbare, gewalttätige Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahren für bis zu zwei, höchstens drei Jahre an Gastfamilien vermittelt. Das Konzept scheint aufzugehen, das Erleben familiärer Strukturen und Regeln in selbst »unperfekten« Familien gebe den Jugendlichen Halt und lasse sie den Kontakt zu den Gasteltern auch nach ihrer gemeinsamen Zeit aufrecht erhalten.

WIRTSCHAFT

Frank Hornig führt ein Interview mit dem Netscape-Gründer Marc Andreesen (S. 72-74). Entlang der IT-News der letzten Wochen beschreibt Andreesen die Entwicklung des Internets »zum wichtigsten Medium überhaupt«, da alle anderen Kommunikationstechniken und Medienarten »massenweise« ins Internet strömten. Außerdem geht es um sein neues Start-up Ning, eine Plattform für soziale Netzwerke.

TITEL

In der Titelgeschichte schreiben Marc Hujer und Klaus Brinkbäumer über »Barack Obama und die Sehnsucht nach einem neuen Amerika« (S. 88-98). Sie fragen, ob Obama (»ein politischer Poet, ein Menschenfänger«) es ernst meint mit der angekündigten »Politik von unten«, ob seine mögliche Präsidentschaft tatsächlich eine historische Wende à la Roosevelt und dessen New Deal einleiten könne. In einem »Land der Untergangsszenarien« verbreite er jedenfalls starke Hoffnung auf einen Wechsel. Ab der Mitte des Artikels werden seine Lebensstationen genau abgearbeitet, denn sein Werdegang sei wichtiger als seine Programmpunkte, die ohnehin denen Hillary Clintons ähnelten: »Obama ist kein Politiker, der sich über seine Überzeugungen definiert, es geht um seine Identität.« Da die unterschiedlichen Lebensstationen auf die unterschiedlichen Wählergruppen jeweils unterschiedlich wirken, kapriziere sich Obama darauf, die jeweils »richtigen Versatzstücke seines Lebens« zu erwähnen.

Im anschließenden Interview mit dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber John McCain (S. 99-104) verspricht dieser die Rückkehr der USA zur Multilateralität und zu neuen Verhandlungen über das Kyoto-Protokoll. Einen vorschnellen Abzug aus dem Irak lehnt er ab: »Ich habe die Absicht, diesen Krieg zu gewinnen«. Innenpolitisch spricht er sich für einen schlanken Staat und Steuersenkungen als Wachstumsmotor aus. Den Vorwürfen (so muss man das wohl nennen) aus dem eigenen Lager, er wäre zu liberal, begegnet er mit der Aussage, er sei »stolz darauf, konservativ zu sein«.

AUSLAND

Aus Florenz, einer Stadt, in der selbst der Hausmeister noch mit einem Bildband zur Seicento-Malerei wedelt, berichtet Alexander Smoltczyk (S. 117). Es geht um das »Stendhal-Syndrom« oder »Hyperculturamie«: Regelmäßig werden Kunsttouristen von der Schönheit und Masse Florentiner Kunstschätze derart überwältigt, dass sie mit Schwindelgefühlen ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

WISSENSCHAFT

In ihrem Artikel »Hörsaal im Wüstensand« berichten Hilmar Schmundt und Samiha Shafy von der Schützenhilfe, die deutsche Professoren beim Aufbau von Universitäten auf der arabischen Halbinsel geben (S. 128-130). Der Ableger der RWTH Aachen im Oman sei aber nur das positive Gegenbeispiel eines Problems: Deutschland werde im Gegensatz zu den USA, Großbritannen, Kanada und Australien bei den großen Universitätsprojekten vor allem in Saudi-Arabien und den VAE außen vorgelassen. In der Gegend fehle »eine Erfolgs-Uni ›mit Leuchtturmfunktion‹«.

KULTUR

Jonathan Littell gibt äußerst selten Interviews. Zwei Wochen vor dem offiziellen Erscheinungsdatum der deutschen Übersetzung hat er jetzt mit Martin Doerry und Romain Leick über seinen Roman »Die Wohlgesinnten« gesprochen (S. 150-153). Der Autor ist neugierig auf die Rezeption in Deutschland und warnt vor der Historisierung des Holocaust, indem man ihn losgelöst vom Krieg diskutiert: »die gesamthistorische Betrachtung dejudaisiert das Problem auf eine bestimmte Weise, und das ist gut so, denn es ist ein universelles Problem. Der Holocaust war ja nicht eine Art Stammeskrieg zwischen Deutschen und Juden. Wäre es so gewesen, brauchte es alle anderen nicht zu interessieren.« Littell bekennt sich zur Konstruiertheit seines Ich-Erzählers Max Aue, sieht aber in »Kunst (…) die beste Möglichkeit, Wirklichkeit auszudrücken«. Mit seinem »Schreibexperiment« habe er »ein Fenster hin zum Unverständlichen öffnen« wollen.

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