Erinnerungen: Richard Wright

Hamburg, 10. Oktober 2008, 13:50 | von San Andreas

Eine Floyd-Platte wollte mir der Schönling aus der Parallelklasse verkaufen, aber er wusste ihren Titel nicht. »Ein Stück ist da drauf, irgendwas mit ’nem Kobold …« Hmm, das konnte nur »The Piper at the Gates of Dawn« sein, und ich schlug ein; die hatte ich noch nicht auf CD. Das Stück, das er meinte, hieß »The Gnome«, und mir war klar, wieso er die Scheibe loswerden wollte. Die frühen Floyd gehen zunächst nicht besonders glatt ins Ohr.

Dabei ist diese erste Phase so wichtig, um den tiefen Eindruck zu verstehen, den die »Jahrhundertband Pink Floyd« in der Musikgeschichte hinterlassen hat. Vor mehr als vierzig Jahren, als die Legende sich im pulsierenden Londoner Untergrund zu formen begann und aufregend neue, psychedelische, progressive Blüten hervorbrachte, prägte ein Mann das musikalische Gesicht der Band, dessen eigenes vielen unbekannt bleiben sollte: Richard Wright.

Nachts um eins kam die SMS von Todd aus San Francisco. Ich musste sie mehrmals lesen, bevor ich ihren Inhalt begriff: »pink floyd keyboards wright passes.«

Unerwartet traf vor drei Wochen die Nachricht vom Tod des Keyboarders ein, doch wie man jüngst erfuhr, hatte Wright schon einen Monat vorher den Kampf gegen den Krebs aufgegeben und sich von seinen engsten Freunden verabschiedet. Seine Errungenschaften wirken fort – unaufdringlich wie sein Charakter, vielgestaltig und von sublimer Raffinesse.

Wright war nie ein kultiger Tastenzauberer vom Schlage eines Rick Wakeman gewesen, nie ein verrückter Keyboardschrubber wie Keith Emerson. Inspirationen suchte er im Jazz, aber die Wurzeln seines Könnens lagen weder dort noch im Rock, sie lagen nirgendwo. Wie den Rest der Band trieb ihn das Fehlen irgendeiner Nischen-Kompetenz dazu, neuartige Texturen zu erforschen, Klangvisionen ohne die Einschränkung althergebrachter Schablonen in Musik zu verwandeln. Eine Musik, die ehrlicher und überzeugender ausfiel als die ewig plagiierenden Ergüsse vieler Zeitgenossen.

Wrights einfache, doch bestechende Akkorde verströmen eine seltsame Art von Pathos – eine, die nicht stört. Seine sphärischen Soundscapes, seine verspielten Einsprengsel, sein gesamter kompositorischer Input hatten einen Anteil an der Musik von Pink Floyd, der lange Zeit unterschätzt wurde. Das schreibt auch David Gilmour in seinem Nachruf; eine Platte wie »Dark Side of the Moon« wäre ohne Richard Wright kaum zu der Institution geworden, die sie ist.

Wrights Spiel beherrscht darüber weite Teile von »Shine on you Crazy Diamond«, dem Titel, der in der Oktober-Ausgabe von »UNCUT« die Ehre des ›Greatest Pink Floyd Songs‹ zugesprochen bekam – völlig zu Recht. Das Schluss-Segment des Stücks ist Wright pur – es sollte bis 1994 seine letzte Komposition für die Band bleiben.

Während der Aufnahmen zu »The Wall« nämlich ekelte Roger Waters den Keyboarder aus der Band. Der packte vergnatzt seine Koffer und genoss die mittleren Jahre seines Lebens segelnderweise auf dem Mittelmeer – bis Waters selbst Pink Floyd im Streit verließ. Wright kehrte langsam aber sicher in den Schoß der Band zurück; auf »The Division Bell« haute er wieder voll in die Tasten – für das Instrumental »Marooned« gab’s einen Grammy, sein Stück »Wearing the Inside out«, bei dem er auch singt, bildet einen emotionalen Fixpunkt mit typisch Wright’scher, schwelgerischer Schwere.

Von den ersten Gigs vor langhaarigen Studenten in brodelnden Londoner Clubs bis zu den gigantischen Bühnenshows der späteren Jahre – Richard spielte auf sämtlichen Tourneen der Band. Gleichwohl schlug er nach dem Ausklang des Floyd-Daseins das Angebot Waters‘ aus, auf dessen Solo-Tour die Tasten zu bedienen. Wer mag es ihm verdenken.

Waters für seinen Teil bewies aber Stil und Größe, als er nach Wrights Ableben seine komplette Homepage zugunsten eines persönlichen Nachrufs frei räumte. Die kurze Wiedervereinigung der Band (nach 24 Jahren) im Zuge von Live 8 hatte offenbar alte Wunden gekittet – und zudem Wrights Spielfreude so weit angefacht, dass er mit Gilmour auf Tour ging.

»And on the keyboards … Mister Richard Wright«, sagte Gilmour, und die gesamte Royal Albert Hall erhob sich von den Plätzen. Tosender Beifall. Ich sah den grauhaarigen Mann in seiner Keyboardburg aufstehen und seine Hand in einer Dankesgeste heben. Dann setzte er sich wieder. Der Beifall hielt an.

Die Ovationen auf den Konzerten der letzten Jahre waren dem Keyboarder eher peinlich. Heimliche Genugtuung mag er empfunden haben, als gelegentlich seine Komposition »Breakthrough« zur Aufführung kam. Wrights Soloplatten waren von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben, obwohl sich darauf echte Perlen befinden. Man höre sich nur das phänomenale »Night of a Thousand Furry Toys« an – ein warmer, hypnotischer Groove, fast floydiger als Floyd.

Sein Meisterstück aber bleibt der wohl erhebendste Song über den Tod, der je komponiert wurde, jener musikgewordene Malstrom der Emotionen, der in frühen Live-Versionen noch »The Mortality Sequence« hieß. Ohne Text, und doch mit Gesang, schraubt sich das Stück in orgiastische Höhen, um dann in süßer Melancholie seinem Ende entgegenzutaumeln. Der perfekte Titel für Richard Wrights letzten Auftritt – »The Great Gig in the Sky«.

7 Reaktionen zu “Erinnerungen: Richard Wright”

  1. klaus

    …ein kultiger…

    Wenn ich sowas lese, hör ich sofort auf.

  2. San Andreas

    Hallo klaus, bist ja trotzdem recht weit im Text gekommen, das reicht mir schon.

  3. LuPie

    So schön wie ein Nachruf nur sein kann (ziemlich komisches kompliment, nicht?).

  4. thomas

    so schön und doch so traurig

  5. Thomas

    mit Richard Wright verlässt ein Mann eine Band, welcher,über Jahre unterschätzt,die Vorrauseetzungen für den floydschen Sound schuf.
    Legt man Shine on auf,betritt man auf sehr sanfte Weise eine akustische Kathedrale.
    Er bildete mit den gilmourschen Gitarrenflügen eine musikalische Symbiose, welche in dem Haifischbecken der Musikindistrie fast einzigartig ist.
    Es ist umso schmerzlicher festzustellen, was von der Institution Pink Floyd zu erwarten gewesen wäre, hätte man sich nicht im Streit künstlerisch und mental zerrissen.
    Es ist sehr tragisch, dass ein derartiges musikalisches Potential nicht mehr zum Tragen kam,nur aufgrund menschlicher Spannungen.
    Die Floyd kreierten einen Sound, welcher von heutigen Nachwuchsbands wohl kaum reproduztierbar sein sollte und welcher seinen unverrückbaren Platz in der Welt des Rock einnimmt und hält.
    Die Band lieferte den Soundtreck für fast 3 Generationen und gehört somit zu den wohl 3 grössten Bands dieses Planeten.
    Wenn ich Shine on auflege, 1975 das erste Mal gehört und die Eingangspassagen der Hammond von Wright, fühle ich sofort die damalige Zeit und eine einzigartige Melancholie entsteht.
    Gefühle als Basis für die Unendlichkeit..

    T

  6. Francois luc

    Richard war ein große talent ,er und Pink-floyd habe meine lenen gepräkt
    David i´st ein super typ, und ei grandiose Musiker
    richard ich stehe für dich auf .
    BIS BALD

  7. Matze

    Rick´s Tod hat mich schon ziemlich berührt,und ich kann es noch immer nicht fassen,dass er nicht mehr hinter seiner Hammond B 3 und seinen Synthesizern auf der Bühne steht.
    Zukünftige Projekte von David Gilmour werden es ohne den
    musikalischen Input von Rick Wright arg Schwer haben.
    Jon Carin ist zwar ein Keyboardgenie,aber kein Ersatz.

    Rick ,wir werden dich vermissen. Ruhe sanft Rick.

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