Die Nouvelle Revue Française vom 1. März 1935

Paris, 25. Januar 2010, 10:15 | von Paco

Die Zeitungen waren heute nicht geliefert worden, also ging ich hinaus Richtung Jardin du Luxembourg, um sie mir nachzuholen. Ich blieb auf halber Strecke in einem Antiquariat stecken und kaufte mir dann dort lieber eine alte NRF, die Ausgabe vom 1. März 1935, und ging gleich wieder zurück nach Hause.

Wie herrlich! Darin die Anfangskapitel von Malraux‘ »Le temps du mépris«. So ein gewaltiger Erzählschrott ist mir lange, lange, lange nicht mehr untergekommen. Genosse Kassner, von Beruf her jetzt also Protagonist dieses Romans, ist in die Fänge der Gestapo geraten, das ist dann im März 1935 eben frisch zeitgenössisch. Die Interrogations­szene gleich zu Anfang liest sich wie »CSI: Miami«, und das ist in diesem Fall negativ gemeint.

Vor Jahren hatte ich einen anderen Roman von Malraux, »L’Espoir«, lesen und anschließend zu Tode kommentieren müssen. Und obwohl das Buch viel besser ist als der übliche Malraux (auch zum Beispiel »Les Noyers de l’Altenburg« … aaaahh!), erinnere ich mich vor allem daran, dass wir ständig über die Stilblüten lachen mussten.

Zum Beispiel ergeht sich Malraux in so einer Art ausgeweiteter Lavater’scher Physiognomie und verbindet Gesichtszüge ständig mit dem Charakter oder dem Beruf (diese Intellektuellen! mit ihrer hohen kahlen Stirn! diese Bauern! mit ihrem quadratischen Schädel! diese Piloten! mit ihrer typischen krummen Nase! … sicher noch nicht die schlimmsten Beispiele).

Zurück zur NRF, denn dieses Hefterl ist so schön durchzublättern, so eine Monatsrundschrift im alten Stil mit lauter interessanten Sachen aus der zweiten Reihe, dargebracht mit einer uckermärkischen Lang­samkeit, einfach nur superst. Sowas war mir zuletzt vor ein paar Wochen beim Durchbrowsen einer alten »Sinn und Form« aus den Siebzigern passiert.

Irgendwie jedenfalls hatte mich auch der Anfang dieses Malraux-Romans letztlich zu fesseln begonnen, vielleicht sogar wegen dieser narrativen Latschigkeit, als der Text nach 20 Seiten mit einem »(à suivre)« abbrach, und da werde ich mal versuchen, die Folge-NRF aufzutreiben.

Ich könnte auch gleich den fertigen Roman irgendwo kaufen, aber das wäre natürlich witzlos.

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