Bartolomeo Bimbi, der Birnenmaler

Neapel, 4. Oktober 2009, 13:36 | von Dique

Ich bin auf dem Weg zum Museo di Capodimonte. Als ehemalige Sommerresidenz liegt es ein bisschen außerhalb auf einem Hügel. Ich fahre mit einem Bus des öffentlichen Nahverkehrs hinauf. Das Capodimonte hält eine ziemlich spektakuläre Bildersammlung, doch das scheint heute und vielleicht auch sonst überhaupt niemanden zu interessieren. Das menschenleere Haus steht in einem wunderschönen Park und ist durch kaum ein Hinweisschild erschlossen. Irgendwo ist mal ein kleiner Pfeil zu sehen, auf dem einfach nur Museo steht.

Hier befindet sich die Nummer 2 der in Neapel befindlichen Bilder von Caravaggio. Auch sonst wird man in der ganzen Stadt ständig von Caravaggio-Effekten angeblinkt. Wenn man nur eine Kirche betritt, hängen da überall die Bilder der Neapolitaner, die ihren Style in seinem Fahrwasser entwickelt haben. Einige der unzähligen Bilder sind sehr gut, andere beinah grotesk in der kopierten Übertreibung.

Im Capodimonte nun »The Flagellation«, auch hier in Neapel im Jahre 1607 entstanden und eventuell erst bei Caravaggios zweitem Kurzbesuch in der Stadt beendet. Die Hängung ist fabelhaft, denn man sieht das Bild schon aus weiter Ferne und kann einen langen Gang darauf zuschreiten, bis man dann in der exklusiven, abgedunkelten Nische steht. Die Dunkelheit des Raumes lässt die sadistische Figurengruppe um den Christus noch effektvoller aus der Dunkelheit heraus scheinen. Christ responds naturally, with involuntary physical reaction, His powerful physique emphasizing His helplessness and sense of degradation.

Dann geht es durch mehrere Räume mit Caravaggisti und dann irgendwann in die Stillleben-Abteilung: wunderschöne Bilder von Recco und Ruoppolo, aber auch zwei unglaubliche Gemälde, die riesige Stapel von Birnen zeigen, Birnen, Birnen, Birnen, und sie sind zu einer Pyramide gestapelt, auf einem silbernen Tablett. Der Hintergrund ist dunkel, man sieht also somewhat Caravaggesque die aus der Dunkelheit herausstrahlenden Birnen liegen. Unten am Rand des Tabletts oder der Tabletts, denn beide Bilder ähneln sich sehr, hängen dann noch drei vereinzelte Birnen.

Verglichen mit dem Apfel ist die Birne eine Frucht, die recht selten auf Gemälden auftaucht. Es gibt zwar ein paar gemalte Madonnen mit Birne, und da ist die Symbolik der Frucht dann auch klar. Nirgends sonst aber taucht sie so prominent und in solcher Menge auf wie hier. Der Maler des Bildes heißt Bimbi, Bartolomeo Bimbi, ein Florentiner, der sich auf Blumen- und Früchtebilder spezialisiert hat.

Die beiden Birnenbilder sind jedenfalls ziemlich grauenhaft, auch nicht sehr toll ausgeführt. Sie sind vielleicht auch not so much a still-life as a psychological portrait of fruit, sehen mit diesen Birnenpyramiden jedenfalls herrlich bizarr aus. Ich kannte Bartolomeo Bimbi nicht und hatte still gehofft, dass er sich in seinem Œuvre fast ausschließlich der Birne verschrieben hat. Dem ist leider nicht ganz so, aber in Neapel bekommt man eine Ahnung von den hochfliegenden Birnenträumen des Bartolomeo Bimbi.

Ein anderes eher selten gemaltes Gemäldegemüse ist die Gurke. Vor allem Carlo Crivelli nahm sich ihrer an: Mal brachte er sie ganz einsam auf dem Marmorboden weit vor einer Madonna mit Kind liegend, mal ein bisschen versteckt im Gemüsekranz im Hintergrund, aber immer hervorragend und mit Liebe zum Detail ausgeführt. Die Gurke hat natürlich phallische Bedeutung, Unkeuschheit usw., dennoch darf man sich über ihre Omnipräsenz im Werk von Carlo Crivelli ein bisschen wundern, so wie über die Birnen von Bartolomeo Bimbi. Aber vielleicht fand Bimbi die Birne auch einfach nur schön.

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