Lost: 5. Staffel, 12. Folge

London, 13. April 2009, 18:53 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Dead Is Dead«
Episode Number: 5.12 (#97)
First Aired: April 8, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Tot ist tot« (EA 25. 6. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Es wird immer schwieriger, »Lost« ohne sich steigernden Ingrimm zu sehen, denn der mythologische Unterbau der Serie wird leider in einer schrecklichen Weise konkretisiert und dadurch wie befürchtet mit bekloppten Erklärungen und billigen Effekten profanisiert. In dieser Folge etwa leistet das Machttalent Ben Abbitte beim Rauchmonster, und diese Szene ist als Konkretum einfach nicht ohne Lachanfälle durchzustehen.

Dass sich Ben nach einigen taktischen Fehlern und seiner Abkehr von der Insel mit einem immer deutlicher werdenden Machtverlust konfrontiert sieht, ist dabei trotzdem ein schönes Sujet, insofern soll uns diese für »Lost«-Verhältnisse handwerklich ziemlich dürftig umgesetzte Szene nicht allzu sehr ablenken.

Ben vs. Widmore

Neben den Abenteuern von Ben und Locke gibt es diesmal auch einige zeitliche Rücksprünge, die alle die Entstehung und die Folgen des Konflikts zwischen Ben und Widmore thematisieren. Als Richard den kleinen verwundeten Ben (im Anschluss an die letzte Folge) zu den Others bringt, auf dass er »von der Insel geheilt« werde, ist Widmore auch gar nicht einverstanden, als ob er ahnen würde, was folgt.

Einige Jahre später bekommt der mittlerweile erwachsene Ben zusammen mit dem nun im Teenie-Alter befindlichen Ethan den Auftrag, die verwilderte Rousseau zu töten. Sie lassen sie jedoch leben und nehmen ihr stattdessen ihr Kind weg, die kleine Alex. Mit ihrer Überführung ins Others-Biwak ist Widmore wieder nicht einverstanden, aber Ben setzt sich durch und zieht Alex als seine Tochter groß.

Ein weiterer Zeitsprung zeigt uns dann den Abschied Widmores von der Insel. Er hat offenbar selbst seine Verbannung vorgeschlagen, nachdem er gegen »die Regeln« verstoßen und mit einer Nicht-Insulanerin ein Kind (nämlich Penny) gezeugt hat. Was soll das denn für ein Grund sein! Siehe Tao bei Critik en séries: « Je m’attendais à du spectaculaire, à une vraie trahison. Il n’en est rien. »

Und dann wird endlich noch eine viel zu lange offen gebliebene Frage beantwortet: Wieso kam Ben eigentlich damals (gerade noch rechtzeitig) mit blutig gehauener Visage in den Flug 316 gestürmt? Hier die Nacherzählung: Unmittelbar vor dem Einchecken ruft Ben bei Widmore an und teilt ihm mit, dass er dessen Tochter Penny killen werde, als Rache für die Ermordung von Alex. Als er zur Tat schreiten will, wird er von Desmond aufgehalten und schießt diesen erst mal nieder. Dann verkündet er Penny wie in einem schlechten Krimi, warum er sie jetzt erschießen werde. Er hält jedoch inne, als Charlie, Pennys und Desmonds Sohn, aufs Deck springt. Big mistake, denn sofort wird er vom nicht erfolgreich erschossenen Desmond angefallen, der ihm ordentlich die Fresse poliert und ins Wasser wirft. So also war das.

Ben und Locke on tour

Als Cliffhanger der Vorgängerfolge saß der wiedererweckte Locke an Bens Krankenbett, diese Szene wird jetzt fortgesetzt. Wie neulich schon anhand einer Reproduktion von Caravaggios »Ungläubigem Thomas« spricht Ben zunächst über den Unterschied zwischen believing und seeing. Als er genug gestaunt hat über Lockes Auferstehung eröffnet er seine weiteren Pläne (Achtung, es wird albern!): Er will sich in dieser Folge vom Black Smoke Monster richten lassen (»I came back to the Island […] to be judged.«). Aha, natürlich, wer verstünde das nicht, hehe. Ganz nebenbei spricht Locke übrigens noch kurz seine Ermordung durch Ben an:

LOCKE: Well, Ben, I was hoping that you and I could talk about the elephant in the room.
BEN: I assume you’re referring to the fact that I killed you.
LOCKE: Yeah.

Nicht schlecht, dieser trocken-humoristisch runtergesprochene Dialog. Ben entschuldigt sich jedenfalls nicht für seine Tat und erklärt nur, dass er »im Interesse der Insel« (na klar) gehandelt habe, und das habe doch nun bestens funktioniert, da alle Inselflüchtigen zurück seien. Locke ist dann auch nicht nachtragend und verkündet, dass er Ben begleiten werde.

Gerade wollen sie sich auf den Weg machen, da werden sie von Caesar gestoppt. Nachdem er über mehrere Folgen hinweg als Anführer in spe inszeniert wurde (»I’m calling the shots here!«), wird er nun einfach von Ben umgeknallt – wieder so ein herrlicher »Lost«-Moment, mit dem man nicht gerechnet hatte (hoffentlich ist Caesar jetzt auch mausetot, bei »Lost« ist ja inzwischen alles möglich). Später werden sich Ilana und die anderen bewaffnen, eine weitere Partei formiert sich und wird in die Aktion eingreifen, die Spannung steigt.

Die sich anschließende idyllische Bootstour von Ben und Locke endet an einem Steg der Hauptinsel. Zwischendurch gibt es noch einen schönen Ben-Satz; angesprochen auf sein letzthinniges Verletzungspech meint er:

»I’ve found sometimes that friends can be significantly more dangerous than enemies.«

Und dann sind sie schon im verlassenen Dharmadorf und sehen Licht in Bens ehemaligem Haus. Sie stoßen dort auf Sun und Chopper-Frank, die dort planlos herumzuwarten scheinen, weil die Geistererscheinung namens Christian Shephard ihnen so befohlen hat.

Ein Foto wird herumgezeigt, die Dharma-Familie von 1977, Hurley, Kate und Jack sind darauf mit zu sehen. Dieser ganze zeitreisige Mummenschanz geht Frank auf den Wecker, er fordert Realismus: »Sun, please, let’s just go back to the plane, see if I can fix the radio, and maybe we can get some help!« Bei seiner Rückkehr wird er dann von Ilana brutal mit dem Gewehrkolben niedergestreckt, Erinnerungen an das Ende von Tarantinos »Death Proof« werden wach.

Insgesamt wirkt die ganze Begegnungsszene in Bens altem Haus unheimlich hölzern, wie ein Treffen von Leuten, die eigentlich nicht zusammentreffen wollten und sollten. Die Darstellerin der Sun spielt wieder ultraschlecht, ihren ganzen Ben-Hass scheint sie komplett vergessen zu haben, aus der toughen Managerin ist auf einmal wieder dieses leichtgläubige Luftwesen geworden.

Dann der Klassiker: Ben schiebt einen Bücherschrank zur Seite und entert einen hinter einer Kleiderstange versteckten Höhlengang. Dort lässt er irgendwelches Schmutzwasser ablaufen, um den Monsterrauch von seinem Beichtvorhaben zu verständigen (whatever).

John Locke verkörpert wie immer sehr überzeugend sein Erleuchtet­sein, diesmal noch gestärkt durch seine Lazarus-Erfahrung. Er spielt dieses Feeling nun gegenüber Ben aus, und nun ist es Ben, der Fragen stellen muss, weil er die Geschehnisse nicht mehr kontrollieren kann.

Locke führt ihn zum Tempel. In einem diesigen Indiana-Jones-Setup schwingt Ben noch schnell eine Rede über seine Schuld am Tod von Alex und fällt dann eine Etage tiefer. Er läuft mit der Fackel in der Hand auf eine Art Altar zu (der übliche ägyptisierende Zinnober: Hieroglyphen, Anubis etc.).

Auftritt das Black Smoke Monster, dazu die üblichen Klapper­schlangengeräusche. Im Rauch sieht Ben ein paar Szenen aus der Vergangenheit, dieser Effekt wirkt überholt wie entsprechende Szenen aus den Bibelverfilmungen der 50er-Jahre. Überhaupt hat diese ganze schreckliche Szene sogar fast das Zeug, die Aura der Figur Ben anzukratzen.

Ben verliert seine allegorischen Qualitäten, er steht da wie ein kleiner Versageridiot, der Abbitte bei einem Bündel Rauch leistet. Nach einer Weile erscheint ihm seine tote Tochter Alex in voller Pracht, packt ihn am Schlafittchen und trotz ihm das Versprechen ab, von nun an jeden Befehl John Lockes zu befolgen. Ende.

Eine Reaktion zu “Lost: 5. Staffel, 12. Folge”

  1. Thomas H.

    Das klingt schon alles sehr deprimierend und gerade in dieser Folge, obwohl ich sie gar nicht so schlecht fand, gibt es schon viele Schnitzer. manche technischen Dinge sind auch einfach so schrottig, besonders diese Visionen von Ben.

    Und dieser Satz ist wirklich der krönende Abschluss, für dieses Charakterruinieren das da abgeht: „er steht da wie ein kleiner Versageridiot, der Abbitte bei einem Bündel Rauch leistet“

    Locke fand ich besonders in dieser Folge ganz ganz schlimm. Seine esoterische Zielgetriebenheit war vorher immer überzeugend, besonders, weil er manchmal richtig lag und manchmal nicht, diese Rolle als Wissender, always a step ahead of Ben, liegt ihm gar nicht.

Einen Kommentar schreiben