Lost: 5. Staffel, 11. Folge

London, 11. April 2009, 17:35 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Whatever Happened, Happened«
Episode Number: 5.11 (#96)
First Aired: April 1, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Zurück in die Zukunft« (EA 18. 6. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

»Whatever happened, happened« heißt diese Folge, und diese Phrase ist durchaus auch als knappe Beschreibung des gesamten Zeitreisequarks in »Lost« akzeptierbar. Diese Floskel wurde auch schon des Öfteren von Faraday in Anschlag gebracht, es sei demnach völlig unmöglich, etwas in der Vergangenheit zu richten, auf dass sich die Zukunft ändere, whatever happened, happened.

Die ganzen SciFi-Umstände werden diesmal in einem lustigen Dialog zwischen Hurley und Miles diskutiert, und diese skurrile audience education hat tausendmal mehr Charme als das schwer zu ertragende Geschwätz von Eloise Hawking. Einfach schon deshalb, weil Hurleys Überlegungen auf populärkulturellem Wissen basieren und sich vor allem aus den »Back to the Future«-Filmen speisen. (Vgl. »From Dusk Till Dawn«, wenn sich Harvey Keitel in der Vampirhölle erkundigt: »Has anybody here read a real book about vampires, or are we just remembering what a movie said?«)

HURLEY: »Okay, answer me this. If all this already happened to me, then why don’t I remember any of it?«
MILES: »Because once Ben turned that wheel, time isn’t a straight line for us anymore. Our experiences in the past and the future occurred before these experiences right now.«
HURLEY: »Say that again.«
MILES (zieht seine Knarre und will sie Hurley geben): »Shoot me, please. Please!«
HURLEY: »Aha! I can’t shoot you because if you die in 1977 then you’ll never come back to the island on the freighter 30 years from now.«
MILES: »I can die because I’ve already come to the island on the freighter. Any of us can die because this is our present.«
HURLEY: »But you said Ben couldn’t die because he still has to grow up and become the leader of the others.«
MILES: »Because this is his past.«
HURLEY: »Like when we first captured Ben, and Sayid, like, tortured him, then why wouldn’t he remember getting shot by that same guy when he was a kid?«
MILES: »Huh. I hadn’t thought of that.«
HURLEY: »Huh.«

Dieser Dialog war mal ein gelungenes, weil lustiges Ablenkungs­manöver von den Konkreta des bescheuerten Zeitreise-Überbaus. Und nach dieser Vorwegnahme nun zum Anfang der Episode:

Der von Sayid niedergestreckte Jin wird von einem Dharma-Funkspruch geweckt, während ein paar Metern entfernt von ihm der 1977er Ben liegt, schwer verletzt, weil in der letzten Folge angeschossen von Sayid. Der kleine Racker mit Kassenbrille lebt also noch, was auch viel einfacher ist fürs Drehbuch, denn jetzt muss nicht noch ein albernes Zusatzkonzept her, um den Ben des 21. Jahrhunderts wieder zum Leben zu erwecken.

Im Dharmadorf herrscht derweil Geschäftigkeit, man befürchtet einen Angriff der Hostiles a. k. a. The Others. Der wirklich extrem unansehnliche und unsympathische Horace erteilt Befehle. Bei all dem Trubel bleibt aber Zeit für einen Kurzflirt zwischen Kate und Roger Linus, dem nicht minder unsympathischen Vater von Klein-Ben. Doch siehe da, aus dem Vatervieh wird für einige Momente ein Mensch.

Das ist wieder der für »Lost« so typische Facettenwechsel, das Vatermonster erklärt, dass es auch gern ein guter Vater geworden wäre usw., was ziemlich unglaubwürdig wirkt, wenn man bedenkt, mit welcher Lust der olle Dharma-Hausmeister seinen Sohn gezüchtigt hat. Doch dann platzt Jin in die Szene, mit eben diesem Sohn auf dem Arm, und im Wechselbad der Gefühle steht da ein ernsthaft besorgter Vater, der betroffen ruft: »That’s my kid!«

Die Flashbackprotagonistin dieser Folge ist Kate. Um sie zirkelt sich auch der größte Teil der Inselgeschichte, sie kontempliert ihr verhauenes Leben, ihre Zerrissenheit, die sich auch und vor allem im Spannungsfeld zwischen Sawyer und Jack abspielt, und damit kommt auch ihre Nebenbuhlerin Juliet ins Spiel und im Off-Island-Teil natürlich ihr angenommener Sohn Aaron.

Nach ihrer Rückkehr von der Insel freundet sich Kate außerdem mit Sawyers Ex-Freundin Cassidy an, der Frau, die Sawyer in der Folge »The Long Con« (2.13) so verarscht hat und die dann die Mutter von dessen Tochter Clementine geworden ist. Die beiden Sawyer-Ex-Geliebten kennen sich schon aus Folge 3.15, als Kate der mittlerweiligen Trickbetrügerin Cassidy vor der Polizei aushalf. Nun im Flashforward dürfen sie sich sogar richtig gut verstehen, es gibt da lupenreinen Girl Talk zu bestaunen.

Später bringt Kate den kleinen Aaron zu seiner rechtmäßigen Großmutter, der Mutter von Claire, Carole Littleton, der sie, um Verständnis ringend, die ganze Sache erläutert. (Damit ist auch die Frage geklärt, wo eigentlich Aaron abgeblieben ist, während sich die Oceanix Six samt Kate zurück zur Insel begeben haben.) Überhaupt ist Kate letzthin auf Freundlichkeit gebürstet, in der 1977er Inselwelt versteht sie sich mittlerweile auch mit ihrer Nebenbuhlerin Juliet glänzend.

Nebenbei, ich kann es immer noch nicht fassen, dass Juliet jahrelang in einer dieser Dharma-Spießerbuden zusammen mit dem Dharma-Oberspießer Sawyer/LaFleur zusammen gelebt und selige Pasta-mit-Dharmawein-Abende abgefeiert hat. Dass sich die Freude über das Wiedersehen mit ihren vormaligen Inselbekannt­schaften in engen Grenzen hält, wird sie gegen Ende der Folge Jack vor den Latz knallen: »We didn’t need saving! We’ve been fine for three years!«

Der Doc übrigens macht inzwischen eine Sinnkrise durch. Wie in Staffel 3, als es um Bens Wirbelsäulentumor ging, hängt Bens Leben nun von Jack ab. Anders als damals scheint der hippokratische Eid für Jack seinen Reiz verloren zu haben, vor allem in Anbetracht der Tatsache, was aus Ben mal werden wird. Jack hat einfach keinen Bock mehr und argumentiert mittlerweile so wie sein Esoterik-Kumpel Locke:

»You know, when we were here before, I spent all of my time trying to fix things. But did you ever think that maybe the island just wants to fix things itself? And maybe I was just getting in the way?«

Weil Jack diesmal also nicht als »Retter willkommen erscheinen« will, um kurz mal mit Schiller zu sprechen, scheint es nur einen Ausweg zu geben. Young Ben muss zu den Hostiles gebracht werden, zu Richard Alpert und seinen Mannen.

Und obwohl Ben zusammen mit den Others noch die gesamte Dharma-Crew ausrotten wird etc. scheinen irgendwie fast alle den späteren Inseldiktator jetzt retten zu wollen, als ob sie Stephen Frys Alternative-History-Reißer »Making History« gelesen haben (darin wird durch eine Zeitreise Hitlers Geburt verhindert, die Menschheitsgeschichte bekommt dadurch aber unerwarteterweise eine noch drastischere Wendung zum Schrecklichen ab).

Jedenfalls schlägt Juliet vor, Klein-Ben zu den Others zu bringen. Als Summe ihrer Flashbacks will Kate das dann allein durchziehen, sie will dieses Kind retten, sie belädt einen dieser hellblauen VW-Busse und macht sich auf den Weg.

Okay, was noch? Die von uns hier in die Nähe der Goethe’schen »Wahlverwandtschaften« gerückte Viererbeziehung zwischen Jack, Kate, Sawyer und Juliet, wird schön in Szene gesetzt. Juliet passt Jack an der Dusche ab und fragt ihn, den Tränen nahe, warum zur Hölle er zurückgekommen ist. Währenddessen treffen Kate und Sawyer am Sonarzaun aufeinander, um von dort aus den siechenden Ben zu den Others zu bringen. Unterwegs erzählt Kate noch ein paar Storys von Sawyers Tochter Clementine und yada yada yada.

Diese Gesprächsidylle wird jedoch jäh unterbrochen, Gewehre klicken, »do not move!«, die Hostiles sind da und finden das Eindringen in ihr Gebiet gar nicht lustig. Die Eindringlinge samt dem Ben-Kind werden abgeführt, bis aus dem sonnigen Inselgrün der niemals alternde Richard Alpert auftaucht. Er übernimmt Ben, aber nur unter Auflagen:

»If I take him, he’s not ever gonna be the same again. (…) What I mean is that he’ll forget this ever happened and that his innoncence will be gone. He will always be one of us. You still want me to take him?«

Die Schwere dieser Entscheidung wird allerseits mit ein paar bedeutsamen Blicken unterstrichen. Und dann zieht Richard ab und bringt Ben in diesen komischen Dharma-Tempel.

Mit einem längst fälligen Blick voraus endet die Folge dann: Wir sehen plötzlich Locke am Bett des ebenfalls verletzten Zukunfts-Ben (Paddelattacke von Sun!), und er sagt in dessen erstauntes erwachendes Gesicht hinein: »Hello Ben, welcome back to the land of the living!«

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