Voyage Voyage (Teil 2):
Rimini revisited

Konstanz, 5. Dezember 2008, 08:58 | von Marcuccio

Weiter geht’s mit im Gedächtnis gebliebenen Reisefeuilletons:

Sönke Kröger: Ein Wiedersehen mit der Adria.
In: Welt am Sonntag, 29. Juni 2008.

In einer Serie für die WamS fuhren Reise-Redakteure diesen Sommer mal zurück an die Urlaubsorte ihrer Kindheit. Also dahin, wo sie vor vielleicht 20, 30 Jahren mit ihren Eltern die »großen Ferien« verbracht haben. Eine Idee, die auf jeden Fall zum Erzählen einlädt, denn besichtigt wird neben der touristischen auch die eigene familiäre Vergangenheit.

Sönke Kröger zum Beispiel fuhr in den Siebzigern mit Mama, Papa, Bruder immer »im weinroten Opel Rekord« an den Teutonengrill, und allein das als Bekenntnis hat für manche ja schon doppelten Outing-Charme.

Zum ersten Mal nach 30 Jahren kehrt Kröger nun also mit seiner Mutter an die Originalschauplätze zurück:

Sie nehmen die gleiche Unterkunft (»Heute wissen wir, wie man ›degli Angeli‹ korrekt ausspricht«), sie mieten die gleichen organisierten Liegestühle am Strand, und sie hören den gleichen »cocco bello«-Lockruf des Kokosnussverkäufers durch die Schirmreihen.

Ja, sie begegnen sogar den gleichen Leuten: Die Lamms aus Bayern kommen immer noch nach Rimini! Wie eh und je fahren sie samstags in der Früh los, damit sie abends im Hotel die schöne Lasagne bekommen, »die seit Jahrzehnten samstags auf dem Speiseplan steht«.

»Immer noch« oder »so wie früher« sind überhaupt Schlüsselwörter des Artikels. Dass Krögers Text trotzdem nicht in einen Generation-Golf-Reise-Remix abdriftet, liegt daran, dass neben aller Nostalgie eben auch ganz reale Gegenwart herrscht: Im Hotel haben die (wiewohl schon fast wieder hippen) Badfliesen aus den Siebzigern halt nur überlebt, weil die Hotels hier allesamt unter »Sparzwang« stehen: Neben treuen deutschen Rentnern stellen nämlich vor allem »italienisches Prekariat« und »Polen auf Schnäppchenjagd« das Gros der Gästeschaft.

›Das Gegenteil von Gentrifizierung‹ würde man wohl sagen, wenn die Destination Rimini ein Stadtteil wäre. Wer – wie Sönke Kröger – 30 Jahre nicht mehr da war, stellt Fragen: Waren die Käsenudeln im Hotel damals eigentlich auch schon so matschig? Haben wir wirklich nie was vom Hinterland gesehen?

»›Dein Vater wollte das so‹, sagt meine Mutter«, und spätestens jetzt wird klar, dass auch Krögers nicht mehr die von früher sind. Die Eltern haben sich Ende der Siebziger scheiden lassen, und man weiß nicht, wie sehr auch der Teutonengrill dran schuld war:

»Meine Mutter entwickelte sich fortan zur neugierigen Reisenden (…). Mein Vater ist dagegen dem Strand treu geblieben. Gerade war er in der Türkei, im Hotel Sandy Beach in Komköy, direkt am Meer. ›32 bis 45 Grad, Essen und Zimmer sehr gut, mehr Urlaub geht nicht‹, schrieb er.«

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