Markus Peichl und sein »Neues Deutschland«

Konstanz, 2. Juli 2008, 22:46 | von Marcuccio

Neulich wurde in der FR die Partie Österreich–Schweiz ausgetragen, ein redaktionelles Benefizspiel, bei dem sich die beiden Länder mal über eine komplette Zeitungslänge und quer durch alle Ressorts duellieren durften. Wobei es nicht nur zu spannenden Zweikämpfen kam, über die wir hier vielleicht noch mal gesondert berichten. Es gab mit Franz Schuh auch eigens einen Günter Netzer (»Ich behaupte, dass die Schweiz die Antwort auf die Fragen ist, die Österreich stellt«). Vor allem aber gab es diese Überraschung:

48. Spielminute respektive Zeitungsseite: Arno Widmann führt uns in seiner schönen Rückblende »Tutti Frutti und der Zeitgeist« noch mal vor Augen, was die beiden wichtigsten Medieninnovationen in der BRD vor dem Internet waren: das Privatfernsehen à la Helmut Thoma und der Zeitgeistjournalismus à la Markus Peichl. Wahrlich historische Achtziger-Jahre-Flanken aus Österreich, während die späteren drei Rogers aus der Schweiz, von denen Oliver Gehrs im aktuellen »Dummy«-Magazin erzählt, nicht wirklich torgefährlich wurden.

Doch zurück zum Widmann-Artikel. Wirklich augenfällig an dem war nämlich dieser Markus Peichl auf dem Foto von anno ’88:

Peichl, Neues Deutschland, Quelle: FR 2008

Da steht er und liest sein »Neues Deutschland«, als ob ihn das Duell AUT–SUI in der FR überhaupt nichts anginge. Und er hat ja recht, schließlich, hehe, war diese Partie bei »Tempo« längst entschieden: Da saß Peichl im Chefsessel, und Kracht und Kummer standen am Kopierer

Das Peichl-Foto erinnert selbstverständlich an die »Tempo«-Aktion schlechthin:

Frühjahr 1988. Redakteure des Hamburger Zeitgeist-Magazins fälschen eine komplette Ausgabe des ND und schmuggeln sie in die DDR: Immerhin 6.000 Exemplare verkünden den neuen Glasklar-Kurs der SED und machen aus dem ND ein historisch einmaliges Lesevergnügen.

In dem ganzen Widmann-Artikel wird die Sache, auf die das Foto verweist, übrigens mit keinem Satz erklärt oder erwähnt, insofern war das wirklich Feuilleton für Fortgeschrittene. Als Genuss-Umblätterer kann man aber trotzdem noch mal die schöne Seite 3 der »Berliner Zeitung« hinzuziehen. Dort hat Andreas Förster nicht nur erschöpfend zu der Tempo-Aktion geschrieben, er wartet auch mit der eigentlichen Pointe der Geschichte auf, die – wie könnte es anders sein – in der Nachwendezeit spielt.

Nicht zu vergessen das falsche »Neue Deutschland«, dessen Lektüre im Original natürlich unbedingt lohnt, voilà.

2 Reaktionen zu “Markus Peichl und sein »Neues Deutschland«”

  1. Paco

    danke fuer den link zur »berliner zeitung«, was für eine pointe, dass peichl nach der wende angeblich von lothar bisky (damals medienbeauftragter der pds) gefragt wurde, ob er nicht dabei helfen koenne, das ND fit fuer den westen zu machen. :-)

  2. Marcuccio

    ja, zu schön die pointe, oder? selbst wenn sie nicht wahr sein sollte: peichl versteht sich auf’s handwerk, auch in sachen mythenbildung.

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