Pelzmantel-Stunde bei Peter von Matt

Konstanz, 9. Februar 2008, 10:04 | von Marcuccio

Gestern im Katamaran NZZ geblättert, Peter von Matt, der beste Germanist aller Zeiten, schreibt über seinen noch berühmteren Vorgänger Emil Staiger, ein Gedenkartikel zu dessen 100. Geburtstag:

»Seine Vorlesungen zogen Scharen an, aus allen Fakultäten und allen besseren Quartieren der Stadt. Das taten genauso die Vorlesungen von Karl Schmid, nebenan an der ETH. Hier wie dort musste man Eintrittskarten lösen, wollte man überhaupt Zutritt haben. Hier wie dort war die erste Reihe von Damen in Pelzmänteln besetzt. Geriet der Vortrag monotoner, studierte man die kunstreichen Frisuren.«

Der Clou dieser Zeilen: Von Matt könnte fast das Gleiche auch über sich selbst schreiben, denn noch bis vor wenigen Jahren war er diensthabender Hohepriester der so genannten Zürcher 11-Uhr-Messe. Das ist unter den gebildeten Stadtzürcher Ständen ein festes Synonym für die wöchentliche Literatur-Vorlesung in der marmorierten Churchill-Aula der Universität. Und das mit den Pelzmänteln und den Frisuren stimmt wirklich; es gehört wohl bei Generationen von Zürcher Erasmus-Germanisten zu den Schlüsselmomenten ihres Aufenthalts.

Und das Schöne an dieser Tradition scheint zu sein, dass ihr Ende trotz von Matts Emeritierung bislang nicht absehbar ist. Zur Robert-Walser-Tagung vor gut einem Jahr waren sie jedenfalls noch alle da, die gebildeten Millionärsdamen vom Zürichberg. Manchmal sitzt auch eine Lady vom gegenüberliegenden Zürichseeufer neben einem. Die erkennt man dann vorzugsweise daran, dass sie ohne Pelzmantel kommt, dafür aber mit 50-Franken und einer Einladung: »Nächsten Freitag, in der Villa Seerose von Horgen, täte ich referieren über Sophie Taeuber-Arp.«

Hallo Deutsches Seminar Zürich, wer hält eigentlich jetzt die 11-Uhr-Messe? Gibt es einen würdigen Nachfolger vor der Pelzmantel-Gemeinde?

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