Wir Möchtegern-Römer: Die FAS vom 27. 1. 2008

Leipzig, 28. Januar 2008, 14:52 | von Paco

Gestern keine Zeit, deshalb heute Lesen der FAS von genau 6:34 bis 9:06, mit einer Pause am Kaffeeautomaten inkl. Gespräch mit einem der Hausmeister über den gestrigen ZDF-Blogbuster »Das Wunder von Berlin« (ich fing mit der Hessen-Wahl an, aber er winkte ab und fragte stattdessen nach dem Wendefilm mit dem NVA-Punk).

Das FAS-Feuilleton wie immer hinten angefangen zu lesen, daher zuerst der übliche Medienkolumnen-Doppelschlag auf der Seite mit dem TV-Programm: Stefan Niggemeiers »Teletext« und der anschließende, aus dem Fernseher abgeschriebene »Teledialog«.

S. N. schreibt über Niels Ruf, und ich wollte gerade aufhören zu lesen (schon wieder ein Verriss, dachte ich), als es ganz anders gemeint war und Niels Ruf und seine Kotzbrockenserie »Herzog« schön gelobt wurden. Zumindest für nächsten Freitag steht die Serie auch noch in den Online-TV-Zeitschriften, und S. N.s Sorge um eine neuerliche Zu-früh-Absetzung ist vielleicht unbegründet.

Speaking of which, Niggemeiers Mitautor Michael Reufsteck (»Das Fernsehlexikon«, ein ganz großer Wurf der TV-Geschichtsschreibung in Form eines dunkelblauen Ziegelsteins), Reufsteck also schreibt passend zur Niggemeier-Kolumne auf der Seite davor einen Artikel, in dem es genau darum geht: um panische frühzeitige Absetzungen deutscher Eigenproduktionen durch diverse Sender. Die Überschrift des Artikels lässt alle Headliner-Herzen höher schlägen, denn sie lautet: »Die Serienkiller«. Ein Volltreffer.

Volker Weidermann rezensiert dann die rororo-Biografie zu Céline. Das Buch wird gelobt vor allem, aber: »manchmal übertreibt es Geyersbach auch mit seinem Entzauberungswillen«.

Dann schreibt noch Peter Körte über den Sean-Penn-Film »In die Wildnis«. Nach der Lektüre hat man einen Film à la Werner Herzogs Doku »Grizzly Man« vor Augen, der aber nicht erwähnt wird.

Dann mein heutiger Lieblingsartikel: Andreas Kilb über die Ausstellung »Roma e i Barbari«. Warum interessieren uns Größe und Fall des RR, wieso kucken wir alle die HBO-Serie »Rome«, wieso weshalb warum, und Kilb findet eine richtige Antwort:

»Schließlich sind wir alle kleine Möchtegern-Römer, die das Pathos der imperialen Großbauten und den Luxus der zentralgeheizten Villen und Badehäuser bewundern (…)«.

Genau das predigt Millek übrigens schon seit einiger Zeit, nur mit anderen Worten, und wurde so gestern zum Andreas-Kilb-Zitatensammler (eins hat er jetzt schon, hehe).

Dann Reich-Ranicki und seine »Fragen Sie …«-Rubrik. Die wird immer mehr l’arte pour l’arte, und er macht es sich zu einem Spaß, im Prinzip rhetorische Fragen dann doch zu beantworten. Beispiel heute, ein Leser aus Göttingen fragt:

Warum soll ich Richard Ford lesen?

Antwort MRR:

Das weiß ich nicht, wohl aber weiß ich, dass Sie unbedingt Philip Roth lesen sollten und auch John Updike.

Zack! Dann weiter zurückblättern, dahin, wo Claudius Seidl die Tom-Cruise-Biografie von Andrew Morton bespricht und die Position der F-Zeitung in der anhaltenden Tom-Cruise-Debattiererei festigt, und was er unter »erstens« und »zweitens« sagt, ist auf jeden Fall richtig, auch wenn er dabei von »einer deutschen Spielart des McCarthyismus« spricht, hehe. Darüber kann man den Kopf schütteln, aber es klingt jedenfalls nicht schlecht.

Am Ende noch der Aufmacher, »Das Leben der anderen«, ein Artikel von Johanna Adorján über das überbordende öffentliche Interesse am Privatleben der what-so-ever Stars. Er kommt etwas bedenkenträgerig daher, vor allem das Ende, aber die Beispiele sind schlagend, das Phänomen treffend dargestellt, und allein für die Darstellung dieser einen Szene aus der »Late Late Show« mit Craig Ferguson lohnt sich der Artikel.

Soweit die FAS, wie immer jede Zeile wert.

3 Reaktionen zu “Wir Möchtegern-Römer: Die FAS vom 27. 1. 2008”

  1. Cobalt

    paco, in großen und ganzen gebe ich dir leider nicht recht – ich fand diese FAS insgesamt eher fad
    ausgenommen die artikel über die o. g. ausstellung (ich als rome fan *hehe*) und den aufmacher von J.A. – und beim lesen hatte ich exakt die selben gedanken wie du – großartiges ende – den clip hab ich mir auch gleich mal bei youtube angeschaut – wenn man den sieht, kann man sich des eindrucks nicht erwehren, daß es sich dabei um ein stück tv-historie handelt (auch wenn es vielleicht noch die wenigsten kennen)
    ich hoffe jedenfalls auf eine bessere FAS am nächsten sonntag

  2. Dique

    Ich bin hier mit Paco und fand diese FAS auch ganz prima. Neben den erwähnten Artikeln, Romausstellung, Céline, Cruise, etc., gab es auch in den anderen Büchern prima Artikel oder auch schöne Bilder, so wie die kleine Fotostrecke aus dem italienischen Parlament auf Seite 11, köstlich, so köstlich wie japanisches Essen.

    In dem Artikel (S. 3) darüber stehen dann solche Sätze wie „… die nach dem gleichen Rezept Nahrungsmittel in Papier verpackt ausgeben, das die Kunden mit den Fingern zu sich nehmen, die sie dann ablecken wie die Katzen.“ Sehr lustig, lecken sich die Finger wie die Katzen, hier allerdings nicht nach wunderbaren japanischen Spezialitäten, sondern nach dem Essen von „Makku“ wie McDonalds Restaurants dort genannt werden.
    Auch die Japaner werden also immer fetter, und dabei erinnere ich mich gern an den Chicken Teriyaki Burger den ich dereinst bei „Makku“ verspeiste. Bei Starbucks gibt es in Japan übrigens neben Caffè Latte auch Matcha Latte, Matcha ist der grüner Pulvertee, … zumindest den Teriyaki Burger kann ich empfehlen.

  3. Willi Quenzel

    dieser Lektürestil gefällt mir. Da einen Brocken gut und bekömmlich finden, dort eher eine etwas gelangweilte Reaktion zeigen, hehe– auch nicht gerade das Gelbe-es ist o.k. Das arme Schwein hatte keinen guten Tag. – Aber nie ernsthaft böse werden, wozu? Es ist ja alles nur Zeitung, Wegwerfpapier. Doch schön, wenn ab und zu etwas Nettes oder Originelles drin steht.
    Die Hoffnungen niedriger hängen, sagt sich der Umblätterer. Wenn in jedem Blättchen wenigstens ab und zu ein witziger Gedanke, eine Formulierung, die man sich merken will, steht.. dann lass es mal gut sein. Was will man mehr?
    Schöne Grüße, W.Quenzel

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