Best of US-Serien 2006/07

Die 15 besten Serien der amerikanischen Fernsehsaison 2006/2007
(a.k.a. Besuch im Serienland #2)

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1. Rome
2. Lost
3. Desperate Housewives
4. Heroes
5. The Office
6. The Tudors
7. Trailer Park Boys
8. Everybody Hates Chris
9. The Simpsons
10. Veronica Mars
11. 30 Rock
12. The Black Donnellys
13. Lucky Louie
14. Studio 60 on the Sunset Strip
15. The New Adventures of Old Christine

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1. Rome   (2. und letzte Staffel, HBO)

Schon in der ersten Staffel war er eine der interessantesten Figuren, die zweite Staffel nun wird seine Staffel. Die Rede ist von Mark Antony, der zunächst zwar von Octavians Truppen besiegt wird, aber von James Purefoy immer noch als lebenspraller Römer gespielt wird, der in den Wäldern im Norden mal eben einen Hirsch erlegt (Anfang 5. Folge). Am Ende, als seine Flotte bei Actium verbrennt und im Kampf gegen Octavian alles verloren ist, steht sein Selbstmord in Ägypten, aber nach zwei Staffeln »Rome« passen seine ihm von Shakespeare in den Mund gelegten Worte über den besiegten Brutus viel besser auf ihn selbst: This was a man! Sein Charakter steht exemplarisch für diese wilde, genialische Inszenierung der Endphase der römischen Bürgerkriege. Die Fleischeslust der Römer wird vielfach in Szene gesetzt, seien es nun weitläufige Sexorgien, herausgebissene Zungen (Titus Pullo bringt so einen Rivalen zum Schweigen) oder öffentlich zelebrierte Selbstmorde (Servilia). Das Ausfüllen der Proskriptionslisten wird zur netten Freizeitbeschäftigung: Atia schickt aus dem Hintergrund noch süffisant den Namen von Jocastas reichem Vater Rufus Tranquillus nach, weil dessen Tochter einen schlechten Einfluss auf ihre eigene Tochter Octavia habe. Cicero, der von den Autoren einigermaßen gehasst werden muss, wird einmal mehr als Opportunist dargestellt, der zunächst Octavian, kurz darauf dessen Rivalen Brutus und Cassius als »Heroes of the Republic« bezeichnet. Erst in seiner stoischen Schicksalsergebenheit zeigt er Größe. Er ist natürlich auf die Proskriptionslisten geraten, und nun obliegt es Titus Pullo, ihn zu töten. Die Mordszene in Ciceros Garten ist dann einer der vielen Höhepunkte: Der Rhetor und sein Mörder unterhalten sich fernab jeder Historisierung mit einer jovialen Abgeklärtheit, die einen fasziniert erschaudern lässt, wie so vieles in »Rome«.

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2. Lost   (3. Staffel, ABC)

Was ist jetzt bitte schön mit dem vierzehigen Statuenrest aus der Finalfolge der zweiten Staffel! Wir haben es wieder nicht erfahren, und natürlich ist das nicht der einzige der losen Erzählfäden geblieben. Man hat wieder massiv das Gefühl, dass die Autoren ein paar Pseudorätsel eingebaut haben, um ihre Serie über drei weitere Staffeln strecken zu können, aber diesmal gibt es überraschenderweise auch ein paar richtungweisende Auflösungen. Endlich scheint es außer fröhlichem Freudianismus einen Grund zu geben für die Backgroundstorys, die die Serie so einzigartig machen: Die Others haben Akten zu jedem Gestrandeten (etwa zu John Locke, wie man in Folge 19 sieht), die deren Leben beleuchten. Warum und wieso und weshalb, das wird noch nicht ganz klar, auch nicht, wie Johns Vater jetzt eigentlich auf die Lost-Insel gelangt ist. Der alte Herr ist Schuld an dessen Behinderung und Trauma und erlebt jetzt auf der Insel ein längst fälliges Strafgericht. Ben (aka Henry Gale) und die Others gehören mittlerweile zum Figurenstammpersonal, und dank des abgeschickten Hilferufs an vermeintliche Retter werden alle Insulaner nun wohl einen äußeren Feind bekommen, der sie trotz aller schwelenden Intrigen zusammenschweißen wird. Als Finale brachte ABC ein verschwenderisches Double-Feature, das einen unglaublichen Twist inszeniert: Nach der Hälfte der geplanten sechs Staffeln sieht man zum ersten Mal eine Szene außerhalb der Insel, die nicht in der Zeit vor dem Flugzeugcrash liegt. Ein irgendwie auf den Hund gekommener Jack trifft eine bürgerlich gewordene Kate in einer dunklen Ecke in der Nähe einer Landepiste. Diese hinterhältig kurze Vorschau auf kommende Dinge wird die lange Wartezeit bis zum Beginn der vierten Staffel im Februar 2008 zur Qual werden lassen.

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3. Desperate Housewives   (3. Staffel, ABC)

Ricky Gervais hat das Ende von »Extras« nach 2 Staffeln so kommentiert: »We are always let down by a third season of something we like.« Wie Recht er damit hat. Die dritte Staffel von »Desperate Housewives« zeigt deutliche Abnutzungserscheinungen. Die Geschichten um Bree scheinen sich nur noch zu wiederholen (neuer Mann, neue Probleme, alles irgendwie mit Vergangenheiten und Mord verknüpft, und dann sind da noch ihre aufmüpfigen Kinder). Nachdem sich Gabrielle von Carlos getrennt hat, kriegt sie auch keine überzeugenden Anschlussgeschichten mehr. Die Scavos haben eine Pizzeria eröffnet, okay. Und die Susan-und-Mike-Story geht natürlich weiter. – Trotzdem wird das Format immer noch überzeugend bespielt, die Mixtur aus pointierten Dialogen, spannenden Subplots und dem immer wieder neu ausgeloteten Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafe trägt weiterhin. Der Höhepunkt der Staffel ist zweifelsohne Folge 7 (unüblich kurz und prägnant betitelt: »Bang«). Da laufen alle Fäden der ersten Folgen zusammen und münden in einen atemberaubenden Amoklauf im Einkaufszentrum mit überraschendem Ausgang.

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4. Heroes   (1. Staffel, NBC)

Noch ein Regional Manager einer Papierfirma? Diesmal handelt es sich aber nicht wie bei »The Office« um Comedy, sondern um beinharte Mystery in der Nachfolge von »The X-Files«. Der im texanischen Odessa bei Primatech Paper arbeitende Mr. Benett hat seinen Job nur als Tarnung und ist in Wirklichkeit eine Art Wiedergänger des Cigarette Smoking Man aus den »X-Files« (»I’m comfortable with morally grey«). Ansonsten gibt die Serie einem guten Dutzend, natürlich meist amerikanischer Durchschnittsmenschen die Gelegenheit, diverse Superkräfte zu entdecken (Fliegen können, Radioaktivität, Schnellheilung, Unsichtbarkeit, Verwandlungskunst, Zeitreisen, Zukunftsvorhersage, aggressive Zweitidentitäten à la Hulk usw.). Doch die Figuren werden auch fern ihrer »special abilities« konturiert. Der Einbruch des Fantastischen in normale Highschool-, Polizisten- und Angestelltenleben wird äußerst spannend inszeniert, sodass man teilweise vergisst, dass es sich um ausgedachte Fantastik handelt. Dass es die Serie dann auch noch in überzeugender Weise schafft, die diversen Amerika-, die Indien- und Japan-Plots zu verknüpfen (im Gegensatz etwa zu Alejandro González Iñárritus »Babel«, bei dem das geografische Verlinken sehr beliebig wirkte) und alles auf den großen Showdown in New York (wo sonst!) zu trimmen, hat die erste Staffel erzählerisch zu einem Höhepunkt der Seriensaison werden lassen. Das Finale schwächelt dann ein wenig. Der Endkampf zwischen Peter Petrelli und dem herrlich hintertriebenen Möchtegern-Weltenherrscher Sylar bleibt aus. Sylar kriecht davon, und wir haben kapiert: Die Spannung soll irgendwie in die zweite Staffel hinübergerettet werden.

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5. The Office   (3. Staffel, NBC)

Nachdem die Dunder-Mifflin-Filiale in Scranton nun doch nicht wegrationalisiert wurde, sondern im Gegenteil die konkurrierende in Stamford geschluckt hat, gibt es kurzzeitig einige neue Bürofiguren, die aber Schritt für Schritt wieder aus der für sie unfassbaren Michael-Scott-Welt verschwinden. Eine schöne Übertreibung ist der überambitionierte Andy, der Dwight seine Stellung als »Assistent (to the) Regional Manager« streitig machen will. Das artet so in unangenehme Arschkriecherei aus, dass letztlich sogar Michael Scott himself unangenehm berührt davon ist. Das einzigartige an »The Office« ist, dass die gesamte Mitarbeiter-Welt (die ja z. B. bei »Stromberg« nur von Statisten gespielt wird) langsam an Kontur gewinnt. Die minimalistischen Auftritte und teilweise wortlosen Kommentare von Stanley, Toby, Kevin und Creed sind sehenswert. Eine schöne Selbsthommage an die Charaktere ist der Rollentausch zwischen Dwight und Jim in Folge 21. Da kommt Jim komplett als Dwight verkleidet ins Büro (das gesamte Outfit inklusive Brille und Anzug kostete ihn nur eine Handvoll Dollar) und imitiert ihn, bis sogar er es merkt. Wie in der Folge »Dwight’s Speech« in Staffel 2 wird aber auch hier deutlich, wie sehr man Dwight als Nerd unterschätzen kann, denn was Jim kann, kann manchmal auch er: Er verkleidet sich als Jim und grimassiert ihn. Das macht er zwar eher schlecht, aber dass ihm bei seiner Parodie nicht viel einfällt, hat eben auch mit Jim zu tun, der sein Dasein als Sales Representative als langweilig empfindet, aber in seiner Bequemlichkeit nicht den Absprung finden will. Im Prinzip reichen ihm zum Glücklichsein die Streiche, die er verständnisinnig mit der Rezeptionistin Pam plant, und dass diese Rote-Faden-Story endlich zu ihrer Erfüllung findet, lässt auf neue Storylines für die vierte Staffel hoffen.

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6. The Tudors   (1. Staffel, Showtime)

Ein passabler »Rome«-Ersatz ist die vor kurzem gestartete Serie »The Tudors«, die den Tudor-König Heinrich VIII. durchs 16. Jahrhundert begleitet. Die erste Staffel schildert die Ereignisse, die schließlich zur Abspaltung der anglikanischen Kirche führen. Die Vorbildwirkung von »Rome« merkt man an allen Ecken und Enden: Jede Szene wird nach ihrer Sex-Verwertbarkeit abgeklopft: Kaum eine Szene zwischen Henry und Anne Boleyn endet ohne Nacktheit, und es wird ejakuliert, was das Zeug hält. Der freie Umgang mit der geschichtlichen Vorlage fällt auch hier kaum ins Gewicht, die Eckdaten stimmen jedenfalls. Es macht Spaß zu sehen, mit welchen exegetischen und diplomatischen Tricks der Papst zur Einwilligung in Henrys Scheidung gezwungen werden soll, mit welchen Intrigen der erfolglose Kardinal Wolsey langsam abgesägt wird. Und wie Catherine of Aragon auf verlorenem Posten um ihre Ehe kämpft, ist einfach nur herzzerreißend. In einem Punkt ist »The Tudors« aber »Rome« unterlegen: Es wird an einigen Stellen krampfhaft versucht, irgendwelches klassisches Bildungsgut unterzujubeln, vor allem in den Szenen mit Thomas More. Wenn dieser mit Henry über Machiavelli spricht, ist das ein Tiefpunkt des Runterbrechens auf die bekannten Schlagworte. Trotzdem ist die Serie ein Versprechen für die nächsten Jahre. Schließlich hatte Henry VIII. ja 6 Frauen, und die könnten mehr oder weniger alle ihre eigene Staffel abbekommen.

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7. Trailer Park Boys   (7. Staffel, Showcase)

Nach dem herrlichen Kinofilm im letzten Jahr folgte nun die siebte (und letzte?) Staffel der kanadischen Underdog-Serie. Wie angekündigt treffen die Trailer Park Boys diesmal auf Sebastian Back von Skid Row, der von Rickys Dope äußerst angetan ist und die Boys auf eine neue Idee zum Geldverdienen bringt. Nachdem die Trailer-Park-Lakaien Cory & Trevor ab dieser Staffel nicht mehr mit dabei sind, lassen die Boys ein neues Dreierteam aus ergebenen Jungspunden die Drecksarbeit machen. Sie sollen im Grenzgebiet zwischen Kanada und den USA Schienen verlegen, damit dann mit einer (vom somnambulen Bubbles geklauten) Edel-Modell-Lok das Dope exportiert werden kann. Abgesehen von dieser Hauptgeschichte werden im Trailer Park selbst einige Beziehungen auf überraschende Weise neu verknüpft: So ist der eigentlich schwule Ex-Stricher und Cheeseburger-Junkie Randy der Vater von Lucys Ungeborenem, was ihren langjährigen on-and-off-Boyfriend Ricky aber nicht sehr stört – ist halt so. Und Mr. Lahey, der endlich wieder als Cop arbeiten darf, schmiedet einen Pakt mit Julian und dem Rest. Lahey wird erst wieder zum notorischen Gesetzeshüter, als er sich erneut dem Schnaps zuwendet. Und dann gibt es noch ein Wiedersehen mit dem in Staffel 4 eigentlich zerstörten Conky, Bubbles‘ unheimlicher Alter-ego-Puppe, die wieder größtmögliches Unheil anrichten will. Als Finale gibt es einen schönen Shootout an der kanadisch-amerikanischen Grenze. Ricky landet standesgemäß im Gefängnis, also alles wie gewohnt, aber ansonsten ist das Ende so sentimental ausgefallen, dass es das wohl gewesen ist mit den Trailer Park Boys.

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8. Everybody Hates Chris   (2. Staffel, The CW)

Das Ensemble wird in der zweiten Staffel durch die Gäste Whoopi Goldberg und Jason Alexander ergänzt. Erstere gibt die neue Nachbarin, und der »Seinfeld«-George brilliert als neuer Schuldirektor, der Chris mit den Gesetzen der Schule vertraut macht. Einmal harren sie allein in der zugeschneiten Schule aus und tanzen auf den Tischen – herrlich! Häufiger als die beiden Gaststars tritt aber der neue Untermieter Mr. Omar auf. Er ist Direktor eines Bestattungsunternehmens und schleppt ständig frisch verwitwete Frauen nach Hause. Die Schilderung des Ablebens von deren Männern begleitet er stets mit einem kopfschüttelnden »tragic, tragic«. Auch das Stammpersonal ist gewohnt hervorragend, vor allem Mutter Rochelle und Vater Julius sind wieder selten gut getroffen: Tichina Arnold und Terry Crews sind von Kopf bis Fuß, von der Mimik bis zur Gestik einfach begnadete Comedy-Darsteller. Die Nebenplots um Chris’ Geschwister Drew und Tonya gehorchen eigenen Gesetzen. Das sind schöne Geschichten über den alltäglichen Geschwister-Wahnsinn, in denen die kleine Schwester etwa als verwöhntes Nesthäkchen gezeigt wird, das die Gunst ihrer Eltern ständig ungerechtfertigterweise zu ihrem Vorteil und zum Nachteil ihrer Brüder einzusetzen versucht. »Everybody Hates Chris« ist als Rekapitulation einer längst vergangenen Pubertät zwar nicht so melancholisch-subtil wie einst »The Wonder Years«. Die Serie fröhnt aber einem Reichtum an Geschichten, der Spaß macht und eine Achtzigerjahre-Jugend wieder aufleben lässt. Auch stilistisch hat sie sich mit ihrer zweiten Staffel bewährt: Die Schilderung des Pubertätshorrors mit Mitteln einer dezenten Hip-Hop-Ästhetik ist einfach zu gut.

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9. The Simpsons   (18. Staffel, Fox)

Den traditionellen Folgen mit Auftritten berühmt-berüchtigter Schriftsteller, deren berühmteste immer noch die mit Thomas Pynchon ist, wird in Folge 6 (»Moe’N’a Lisa«) eine weitere hinzugefügt: Lisa will Moes Lebensgeschichte aufschreiben und klebt einfach ein paar Notizzettel aus seiner Wohnung zusammen. Das erinnert sie irgendwie an T. S. Eliots Patchwork-Gedicht »The Waste Land«, und nach Einschickung an ein Literaturjournal wird Moe als neu entdecktes Genie von Tom Wolfe sofort auf einen Schriftstellerkongress eingeladen, wo neben Gore Vidal auch Jonathan Franzen auftritt und sich mit Michael Chabon in die Haare kriegt. Ein paar weitere Tidbits: Nach den Italiengeschichten aus Staffel 17 wird auch Fat Tony, dem lokalen Mafiaboss, ein neuer Auftritt zugedacht, bei dem es um seinen Sohn Michael geht. Dabei wird eine herrliche »Godfather«-Parodie in Gang gesetzt. Eine schöne kleine Meta-Szene in derselben Folge ist die, in der Marge Simpson sich selbst googelt (»629,000 results«). – Der vorletzten Folge, »24 Minutes« betitelt, gelingt eine passable »24«-Parodie. Und dann gibt es in der Finalfolge noch einige sarkastische Kommentare zum regierungstreuen Simpsons-Sender Fox. Die Szene ist aber auch an sich wirklich lustig und nicht nur ein weiteres Beispiel für wohlfeile immanente Pseudokritik als Nachweis der eigenen Unabhängigkeit.

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10. Veronica Mars   (3. und letzte Staffel, The CW)

Warum die so hoooochbegabte Veronica nach ihrem Highschool-Abschluss immer noch im fiktiven Städtchen Neptune, Calif., rumhängt, wird nicht ganz plausibel. Immerhin geht sie inzwischen aufs ortsansässige Hearst College. Dort wird neben den kleineren Detektivaufträgen wieder ein thematisch tougher Storybogen lanciert, der sich um einen College-Vergewaltiger dreht, der seinen Opfern nach der Tat die Haare schert. Die einzelnen Folgen zeigen erneut, wie in 40 Serienminuten schon mal 3 oder mehr Fälle und Nebenfälle passen. Jeder Satz ist Information zur Lösung all dieser Fälle, und nebenbei schwingt immer diese manchmal holzhammerartige moralische Dimension mit. Eine schöne Hitchcock-Referenz ist der College-Professor, der einen Aufsatz über den perfekten Mord schreiben lässt und offenbar selber in einen Mordfall verwickelt ist. Der immer noch interessanteste Charakter der Serie, Logan Echolls (Jason Dohring), wird zwar weiter in seiner Gebrochenheit gezeigt, regrediert aber irgendwie zum Boyfriend und bekommt keine eigenen Geschichten mehr, nachdem seine Familienprobleme in den zwei Staffeln davor gelöst wurden – ein verschenkter Charakter. Dabei gelingt es wieder ihm und nur ihm, Veronicas nervigen Seiten zu thematisieren: »Why can’t you for once just leave things alone?«, fragt er etwa in Folge 8, nachdem Veronica weiter allein nach dem Vergewaltiger fanden will, obwohl sie eine Woche vorher fast selbst sein Opfer geworden wäre. Er fährt fort: »You are not invincible and you are not always right.« – Aufgrund schlechter Einschaltquoten wurde die Serie von The CW abgesetzt, und insofern ist es schade, dass die Finalfolge so unausgegoren ausfiel.

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11. 30 Rock   (1. Staffel, NBC)

Alec Baldwin spielt den Senderoberen Jack Donaghy in dieser neuen Serie so uneigentlich und witzig wie Steve Carell seinen »The Office«-Boss Michael Scott – Baldwin erinnert in dieser Rolle an seinen legendären Gastauftritt in der 18. Folge der achten »Friends«-Staffel (»The One In Massapequa«), wo er den ähnlich enthusiastischen Boyfriend von Phoebe spielte. Donaghy nun soll die von ihm betreute Comedyserie »The Girlie Show« aus dem Quotentief retten und lässt sie daher auf den schwarzen Chaoten-Comedian Tracy Jordan (Tracy Morgan) zuschneiden, einen unberechenbaren Arbeitskollegen, der alle zur Weißglut treibt, aber durch seine Popularität die Show vor dem Aus rettet. Im Mittelpunkt der Serie steht aber die Headwriterin Liz Lemon (Tina Fey, die auch Autorin und Produzentin von »30 Rock« ist), der wir dabei zusehen, wie sie mit Tracy zurechtkommt und nebenbei ihr New Yorker Single-Leben zu organisieren versucht. Eine interessante Nebenfigur ist Kenneth, der fröhliche Sendersklave für alles. Einmal antwortet er auf Jacks Aufforderung, seine Talente in einen besseren Job zu stecken, dass er nie und nimmer so einen fernsehnahen Job aufgeben würde, denn: »Television is the true American art form.« Das ist doch mal eine schöne Zusammenfassung, und eine passable Pointe wird daraus, wenn der Senderchef, der sich stetig mit bekloppten Programmideen rumschlagen muss, zurückgibt: »I wish I shared your passion for televison, Kenneth.« Im Gegensatz zu »Studio 60 on the Sunset Strip« (siehe unten), das auch auf NBC lief, wird »30 Rock« fortgesetzt. Hier waren die Erwartungen nicht allzu hoch, zumal das Thema, die Produktion einer Comedy-Show hinter den Kulissen zu zeigen, mit Comedy-Mitteln umgesetzt wurde. Das funktioniert einfach besser.

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12. The Black Donnellys   (1. und letzte Staffel, NBC)

Die Story ist alt, und zwar steinalt. Es ist nicht so leicht entscheidbar, wo die Autoren (darunter der Serienerfinder und »Crash«-Regisseur Paul Haggis) mehr geklaut haben: bei Coppolas »Godfather«-Trilogie, Sergio Leones »Once Upon A Time in America«, Scorseses »GoodFellas«, Sam Mendes’ »Road to Perdition« oder oder oder. Viele Motive haben sie einfach übernommen und lutschen nun endlos darauf herum. Nach nur 6 Folgen kickte NBC die als Replacement für »Studio 60 on the Sunset Strip« gedachte Serie aus dem Programm und veröffentlichte den Rest als Flash-Filme im Web. Trotz des Übersättigungsgefühls hinsichtlich des Mafia-Themas: Innovativ ist die Serie durchaus, zumindest, was die Erzählweise betrifft. Die Story wird uns dargebracht von einem »unreliable narrator«, einem Freund der Donnelly-Brüder, der die einzelnen Folgen und einige Jugenderinnerungen aus der U-Haft heraus erzählt. Seine Verteidiger wechseln, weil er offenbar ständig Dinge zurechtflachst, damit sie mehr knallen. Manchmal gibt er das auch zu, und dann sehen wir eine Szene noch einmal mit geändertem Drehbuch. Die im Serienbereich von »Desperate Housewives« über »Veronica Mars« bis zu »Everybody Hates Chris« derzeit grassierende Voice-Over-Mode, die ja eigentlich ein sehr unfilmisches Mittel ist und eher ins Buch gehört, wird dadurch schön bereichert. Nach der frühzeitigen Absetzung der Serie ist nun nach nur einer Staffel Schluss, und das ist angesichts des abgehangenen Themas ganz gut so.

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13. Lucky Louie   (1. und letzte Staffel, HBO)

Louie C. K. ist ein sehr guter Stand-up-Comedian. Wie Sarah Silverman ist ihm nix zu fein, um darüber zu reden. Das führt zu Szenen, wie man sie in klassischen Laughtrack-Sitcoms nie erwartet hätte. Louies Kumpels driften schwer ins Asoziale, dementsprechend direkt sind die Dialoge. Eingeleitet wird die Serie aber mit einer herrlichen Szene zwischen Louie und seiner Tochter, die immer weiter »Why?« fragt, egal was Papa erzählt. So kommt es vom banalen Frühstücksgeplänkel zu einer unfreiwilligen Lebensbeichte. Das ist nicht neu, aber genial umgesetzt und hat auch gleich unbemerkt Setting und Plot eingeführt. Dieser erste Versuch von HBO mit einer Multi-Camera-Sitcom wurde nach der einen Staffel abgesetzt, aber Louis C. K. ist ein guter Mann, von dem noch zu hören sein wird.

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14. Studio 60 on the Sunset Strip   (1. und letzte Staffel, NBC)

»Studio 60« wurde vom Sender groß angekündigt und war daher auch die größte Enttäuschung, anders gesagt: die beste schlechte Serie der Saison. Aaron Sorkins Idee, eine Drama-Serie um die Produktion einer fiktiven Late-Night-Show à la »Saturday Night Live« zu machen, ging gründlich schief. Das hochkarätige Ensemble (Amanda Peet, Matthew Perry, Steven Weber, um nur drei zu nennen) rennt durch die Gänge und Hallen des fiktiven Senders NBS und will ständig in letzter Sekunde schwierige Dinge entscheiden. Alles soll irgendwie kontrovers rüberkommen, trieft aber vor gewolltem und ungewolltem Pathos. Dauernd lauert irgendein politischer Eklat im Hintergrund, und das nervt von Anfang an: Was kann man Amerikanern, Christen und Lobbys witzetechnisch zumuten? Die Diskussionen um »Crazy Christians«, »Science Schmience« und »Cheeses of Nazareth« sind alle zum laut Gähnen. Es sind schlimme Momente, wenn sich die Comedy-Autoren gegenseitig ihre Witz vorlesen, schreckliche Witze, als ob es nur darum ginge, anstößige Gags über irgendwelche Lobby- oder Randgruppen machen zu dürfen. Zu Recht wurde verschiedentlich angemerkt, dass die in der Serie produzierte Comedy-Show im echten Fernsehen niemand kucken würde. Lediglich in der Folgentrilogie »K & R« (steht für »Kidnap & Ransom«) gegen Ende der Staffel kommt etwas Spannung auf, weil es wirklich tragisch wird: Der Bruder des Comedians Tom Jeter wird in Afghanistan entführt. Die Meldung läuft über die Ticker gerade in dem Moment, als dieser eine Mohammed-Parodie vom Stapel lässt. Letztlich geht alles gut aus, und zwar nicht nur dieser Storystrang, sondern wirklich alle Stränge, und das ist das Problem der Serie: Dass es hier nur um Surrogate geht und nicht um echte Probleme, was ja für eine Drama-Serie einfach mal angebracht wäre.

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15. The New Adventures of Old Christine   (2. Staffel, CBS)

Wie lustig Scheidungsschicksale sind, kann man in dieser kleinen Sitcom erfahren. Mit »The New Adventures of Old Christine« scheint Julia Louis-Dreyfus den so genannten »Seinfeld«-Bann gebrochen zu haben: Denn keiner der Schauspieler der erfolgreichsten Sitcom aller Zeiten konnte hinterher wieder mit einer eigenen Show Fuß fassen. Nun ist auch Louis-Dreyfus’ Performance als Old Christine kein großer Wurf, scheint aber immerhin ein wenig erfolgreich zu sein, sodass nun sogar eine dritte Staffel angekündigt wurde. Die Figuren sind allesamt stereotype Sitcom-Charaktere und pflegen, unterstützt von Publikumsgelächter, einen Witz, der niemandem wehtut. Die Serie macht keine großen Verrenkungen, und indem sie versucht, ein bisschen edgy zu sein, rennt sie nur offene Türen ein. So gibt es mittlerweile ja schon politisch korrekte Scherze über Native und African Americans, über Diversity usw. Erfreulicherweise gehört Wanda Sykes zum Serienpersonal, die in Larry Davids »Curb Your Enthusiasm« eine hervorragende, notorisch brandmarkende Afro-Amerikanerin gibt. In »The New Adventures of Old Christine« soll sie eine ähnliche Funktion bedienen, geht aber wegen des allzu schematischen Drehbuchs völlig unter. Aber Anfang September startet ja endlich die 6. Staffel von »Curb Your Enthusiasm«!

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