Was vom Tage 77 übrig blieb:
Barmbeker Schachcafé, Barmbek-Nord

Hamburg, 16. November 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 6:30 Uhr.

Direkt am sozusagen Vierländereck gelegen – Alsterdorf, Ohlsdorf, Winterhude, Barmbek-Nord – liegt es knapp im letztgenannten Stadteil, hence the name:

Barmbeker Schachcafé
Rübenkamp 227
(Barmbek-Nord)

Ziemliches Grauwetter heute und daher gar nicht schlimm, dass wir länger bleiben als geplant, denn wir verquatschen uns mit einem der Kellner: Babys, Elternzeit, Nachtwachen.

Espresso: €2,10.

In der SZ sofort Kristina Maidt-Zinkes Rezension des 600-Seiten-Romans »Aufklärung« von Angela Steidele, »ein Werk der feministischen Literatur, und selten war Feminismus so kurzweilig«. Geht um »die kühn erfundene Freundschaft zwischen Dorothea Bach und Luise Adelgunde Gottsched«, aufgemacht ist der Artikel mit einem knalligen Gemälde des Ehepaars Gottsched. Im Roman jedenfalls treten auch Lessing, Klopstock und Goethe auf, außerdem Gellert, die »sanftmütige Nervensäge«.

Der Tag lässt mir noch Zeit für genau einen weiteren Artikel, Christian Metz in der FAZ zu den beiden Lyrikbänden »Kalbskummer« und »Phantomstute« von Marieke Lucas Rijneveld, die gerade zusammen bei Suhrkamp auf Deutsch erschienen sind. Das beste am Artikel ist, dass Metz ganz viel zitiert aus diesem Lyrikdoppelband, Verse »so extrem eigen, als hätte man sich für einen Moment im Nebel des niederländischen Unterlandes verlaufen, und plötzlich eröffnete sich vor den Augen ein Bergpanorama«.
 

Was vom Tage 76 übrig blieb:
Café par ici, Winterhude

Hamburg, 15. November 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 8:00 Uhr.

Letzten Montag diente es noch als Filmkulisse und war daher für Gäste geschlossen, heute aber ist regulärer Betrieb im …

Café par ici
Maria-Louisen-Straße 1
(Winterhude)

Draußen am äußersten Tisch mit Blickrichtung Westen, der Kinderwagen und ich können über die Streekbrücke schon nach Harvestehude hineinschauen.

Espresso: €2,50.

In der Novembersonne auf einmal riesige Lust auf Romanrezensionen. Zuerst Sigrid Löffler über Norris von Schirachs zweiten Roman »Beutezeit« in der SZ. Dann Hans Christoph Buch zu »Fünf Minuten vor Erschaffung der Welt« von Wolf Christian Schröder in der FAZ. Auf derselben FAZ-Seite auch noch Julia Bährs Review zum erzählenden Sachbuch »Ex« von Katja Lewina.

Mehr Leseambition hab ich dann doch nicht, stattdessen zirkele ich ein bisschen in der Gegend herum, die Villa Troplowitz passierend mit ihren Muschelkalk- und Rauputzfassaden.
 

Was vom Tage 75 übrig blieb:
ujote espresso, Hoheluft-West

Hamburg, 14. November 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 6:30 Uhr.

🎶 Ундервуд: »Скарлетт Йоханссон едет в Херсон«

Beim Kinderwagenmarsch durchs Generalsviertel kurz hier vorbei:

ujote espresso
Bismarckstraße 88
(Hoheluft-West)

Espresso: €1,90.

Bei bestem Wetter draußen sitzend (zwischen schlafendem Kind links und einem Westie rechts) lese ich in der SZ den Feuilleton-Aufmacher von Sonja Zekri. Sie versucht sich an einem kritischen Take zu Timothy Snyders aktivistischem Engagement in Sachen Ukraine, auch anlässlich seiner frei abrufbaren Vorlesungsreihe »The Making of Modern Ukraine«. Ich komme ungefähr bis zur Hälfte des Artikel und lese den Rest abends zu Hause. Aber erst mal schiebe ich den Teutonia weiter zu unserer Verabredung im Schanzenviertel, Playdate!

Abends dann auch noch kurz die FAZ durchblättert. In »Deutschland und die Welt« (Seite 7) berichtet Lorenz Hemicker von Xaver Meyer, einem Landsturm-Reservisten, der im Mai 1915 an die Front in Flandern geschickt wurde und sofort fiel. Sein Kanonenfutterschicksal haben – ausgehend von einer Messingplakette auf einem von Briten erbeuteten Gewehr – zwei Historiker »in seltener Präzision« dechiffriert, deren Forschungsarbeit von Hemicker referiert wird.

Genug Speedlektüre, gute Nacht!
 

Was vom Tage 73 übrig blieb:
Katelbach, Ottensen

Hamburg, 12. November 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 7:15 Uhr.

🎶 Robert Miles: Children

Kleine Sonnabendrunde, und damit hinein ins …

Katelbach
Große Brunnenstraße 60
(Ottensen)

Espresso: €2,70.

Im heute erschienenen »Spiegel« (46/2022) schreibt Nora Bossong drei Seiten über ihr zehntägiges Internship bei der Bundeswehr, lese ich sofort weg. Trotz fehlender Vorerfahrung wurde sie offenbar gleich als Oberleutnant eingestellt. Der Text beginnt damit, dass sie eine Patrone des Kalibers 5,56 mm aus dem G36 jagt, peng. Insgesamt bildet sie die Bundeswehr-Lingo ganz gut ab und räsoniert im zweiten Teil ihres Textes ein bisschen allgemein über Militär und Gewalt: »Der Erfinder der Zivilisation, so hat es General Samanns in Anlehnung an Freud beschrieben, sei jener gewesen, der als Erster sein Gegenüber nur beschimpft und nicht umgebracht habe.«

Viel weiter komme ich erst mal nicht, da sehe ich eine Frau mit roter Lederjacke ins Katelbach treten. Ich sitze zwischen Tür und Tresen und höre also mit, dass die Frau fragt, ob sie hier den »Spiegel« haben. Sieht nicht so aus, und leise frage ich »Wieso?« und halte mein Exemplar hoch in die Luft. Sie sieht das Titelbild und winkt ab, sie suche wegen eines bestimmten Artikels den »Spiegel« von voriger Woche, den es ja nun nicht mehr zu kaufen gebe, und ich bewundere ihre smarte Idee, die alte Ausgabe im nächstbesten Café suchen zu gehen. (Leider habe ich vergessen zu fragen, um welchen interessanten Artikel es sich handelt.)

Die SZ habe ich wie immer auch noch dabei und lese später im Stadtpark David Steinitz‘ Artikel über Jennifer Coolidges Rolle der Tanya McQuoid in »The White Lotus«. Der Artikel enthält unter anderem diese Offenlegung: »Man wird im Smalltalk immer ein bisschen schief angeschaut, wenn man sagt, dass man ›American Pie‹ für einen großen Film hält, zumal als Filmkritiker.« – Okay, Coolidge ist ja glücklicherweise trotz Schauplatzwechsel von Hawaii nach Sizilien als Stammgästin des »White Lotus« auch in Staffel 2 wieder mit dabei, morgen Abend Folge 3 auf HBO.

Am Spätnachmittag tut sich noch ein kleines Zeitenster auf und es reicht für einen Artikel in der FAZ, Paul Ingendaay über Proust als humorigen Erzähler. Untermalt mit einem witzigen Foto Prousts, auf dem er einen Bürstenhaarschnitt trägt und etwas unklar lächelt.

Abends noch zwei Folgen der neuen Staffel »Die Discounter« und danach ganz überraschend die ersten 20 Minuten des DEFA-Films »Fahrschule« (1986), der irgendwie aus der ARD Mediathek auf den Screen schwappt, schöne Dresden-Vibes.
 

Was vom Tage 41 übrig blieb:
Café Auszeit, Hamm

Hamburg, 11. Oktober 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 7:00 Uhr.

Lange Tour heute, muss das gut timen mit den Schlafphasen. Also auf nach Hamm und dort ins …

Café Auszeit
Horner Weg 68
(Hamm)

Espresso: €2,10.

Direkt neben dem Café ist ein Pizzalieferservice namens »Hamm’er Pizza« und sowieso wird in diesem Stadtteil allerorts hammermäßig gewortspielt.

Im Hammer Park schaukeln wir ein bisschen und üben Stehen an einem Geländer im Sandkasten. Besonders schön finde ich noch die Bronzestatue »Eulenbaum« von Kurt Bauer am nördlichen Ausgang des Parks.

Über den Tag verteilt Lektüresnippets… Elmar Schenkels Anglistik-Veranstaltungen an der Uni Leipzig waren immer wunderbar, und so stürze ich mich, sobald ich ein bisschen me-time habe, auf seinen Artikel in der heutigen FAZ, eine Rezension der Bände 2 und 3 der Malaya-Trilogie von Anthony »Clockwork Orange« Burgess, deren deutsche Übersetzungen dieses Jahr im Elsinor Verlag erschienen sind. Die Trilogie erinnert ihn an Somerset Maugham oder Joseph Conrad: »Weiße wähnen sich als etwas Besseres, während sie langsam vom Dschungel, von der asiatischen Inselkultur aufgefressen werden.«

In der SZ lese ich dann leider auch das Interview mit Francis Fukuyama vollständig. Ich kann Interviews nie nur anlesen. Nach zwei, drei Fragen bekomme ich das Gefühl, ich wäre bei dem Gespräch dabei, und kann dann aus Höflichkeitsgründen nicht eher gehen. Die Fragen von Sonja Zekri sind dabei ziemlich on point, nur wirken die Antworten Fukuyamas ungenau, flatterhaft, vor allem was seine Einschätzung der aktuellen Kriegs- und Krisenherde angeht:

– Glauben Sie immer noch, dass es so kommt?
– Hoffentlich.

 

Was vom Tage 40 übrig blieb:
Café Leonar, Rotherbaum

Hamburg, 10. Oktober 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 7:15 Uhr.

Zum letzten Mal war ich hier am 21. März 2008, als es zum Kaffeehaus des Monats erklärt wurde, das …

Café Leonar
Grindelhof 59
(Rotherbaum)

Espresso: €2,30.

Im nestele den aktuellen »Spiegel« hervor und lese aus spontanem Interesse den Artikel über die vierte Staffel »Babylon Berlin«, die gerade anläuft. Zum Gespräch geladen haben die Regisseure Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer, und es geht zu ihrem Leidwesen erwartungsgemäß vor allem um den Hauptdarsteller Volker Bruch und seine Fisimatenten: »zurzeit gibt der Schauspieler keine Interviews. Muss er ruhig sein, um Vermarktung und Erfolg der Serie nicht zu gefährden?«

Der ganze Artikel trägt den vielleicht irgendwie sogar guten, aber irgendwie auch schlechten Titel »Der Bruch in der Gesellschaft«, und konstatiert wird: »Die Zukunft der Serie wird auch davon abhängen, wie die Regisseure ihren irrlichternden Star Bruch wieder in den Diskurs zu ihrer hochpolitischen Serie zurückholen.«

In der Bieberstraße kommt ein mittelalter Skater auf uns zugefahren, plötzlich rutscht ihm das Brett schräg nach vorne weg und rollt unter einen Bauzaun. Nix passiert, er lacht, und ich lache mit, und dann hebt er kurz ein Stück vom Zaun aus dem Betonsockel und holt sich das flüchtige Skateboard zurück.

Im Alsterpark tigere ich eins, zwei Minuten über eine Slackline und sowieso ist es ein schöner Herbsttag.

Erst sehr spät am Abend wieder Zeit für Lektüre, aber nicht mehr so viel Elan. Ich lese in der FAZ Kaubes Nachruf auf Bruno Latour, in dem er unter anderem die Studie über die »clef berlinoise« erwähnt. »Es mit der Modernität nicht übertreiben war Latours Devise.« – In der SZ erinnert Julian Müller an Latour sowie an den von ihm ins Spiel gebrachten neuen »politischen und sozialen Akteur«, die Mikrobe (aus seiner Studie über Louis Pasteur). – Ich habe Latour nur einmal live gesehen, bei seiner Opening Keynote zur DH2014 an der EPFL in Lausanne.

Ok, noch einen Artikel, und so übermäßig interessieren mich die Revolutionsjahre 1848/49 nun auch nicht, aber neulich angepiekst vom »Spiegel«-Porträt über Jörg Bong lese ich noch Joachim Käppners Rezension zu dessen Buch »Die Flammen der Freiheit«. Käppner füllt fast die Hälfte seines Artikels mit einem Abriss der Biografie von Carl Schurz, sehr interessant, und lobt ebenso wie Kurbjuweit im »Spiegel« den Autor Jörg Bong in allerhöchsten Tönen.

Nebenbei bemerkt, Verzeihung, gibt es im Text übrigens einen kleinen Jahreszahlenfehler (ed. in der Online-Ausgabe inzwischen korrigiert). Es ist von den »Freiheitskämpfern und -kämpferinnen (denn es waren auch etliche Frauen darunter) von 1948/49« die Rede, und ich würde das nicht aufspießen, wenn ich nicht ein bisschen positiv überrascht davon gewesen wäre, wie ich komplett übernächtigt und nur noch mit schwankendem Auge lesend so ein Detail erhaschen konnte!
 

Was vom Tage 37 übrig blieb:
Friedrich café bistro bar, Alsterdorf

Hamburg, 7. Oktober 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 6:15 Uhr.

Ausflug zum Eppendorfer Moor. Herrlich lustig, dort mit dem Teutonia langzucruisen. In der Gegend um das Moor herum äußerst geringe Cafédichte. Möglichkeit zur Einkehr quasi nur hier:

Friedrich café bistro bar
Alsterdorfer Straße 283
(Alsterdorf)

Espresso: €2,30.

Tolles Wetter, wir sind die einzigen Gäste, sitzen draußen mit Blick über die Straßenkreuzung. Aus den Außenlautsprechern klingt leise »Voyage Voyage« und erzeugt so eine tolle Nachmittagsstimmung, die das Wochenende einläutet, Menschen rennen zum Bus, irgendwann ziehen wir auch weiter, wie fast immer Richtung Stadtpark, dabei am Polizeimuseum vorbei (heute geschlossen).

Überhaupt der Stadtpark in diesem sommerlichen Herbst, so-so herrlich.

Dort lese ich auch endlich die SEITE DREI der heutigen SZ zu Ende, begonnen schon heut früh, Zeitung einmal umgeschlagen, zweimal umgeklappt, so dass ich sie in der linken Hand halten konnte, während ich mit der rechten den Teutonia navigierte. Ging nicht so gut diese Lektüreart, ich schaffte die erste Spalte kaum bis zur ersten Zwischenüberschrift und wirbelte das Blatt erst mal wie eine Frisbeescheibe in den Stauraum unter dem Sitz.

Es gibt aber noch andere wichtige Gründe für einhändiges Kinderwagenschieben, auch hier wird das fast immer mit rechts getan, während am linken Arm eine Fitnessuhr prangt. Der Vorteil ist, dass diese Uhren dann die Schritte richtig zählen können. Wenn beide Hände an der Querstange liegen, gehen Schritte verloren und das Quantified Self ist frustriert.

Aber nun, DIE SEITE DREI, Johanna Adorján hat für ein Porträt Ruben Östlund in seinem Dorfhaus in Campos auf Mallorca getroffen. Mich hatte damals sein Film »Force Majeure« ziemlich geflasht, fein rausgearbeitete soziale, innerfamiliäre Folgen einer dann doch nicht so gefährlichen Schneelawine, genial, und nun geht es um den neuen Film »Triangle of Sadness« und Östlunds Hauptthema: »Was bedeutet heutzutage eigentlich Männlichkeit?« Das Gespräch mit dem Regisseur scheint angenehm gewesen zu sein: »Es fällt auf, dass er nie genau so antwortet, wie man es in Interviews schon gelesen hat, er fügt Neues hinzu« – ein Kolibrifalter schwirrt auch noch herum in dieser Homestory und der letzte Satz lautet: »Sein nächster Film, sagt er dann noch, werde übrigens während eines Langstreckenflugs spielen und davon handeln, dass das Entertainment-Programm an Bord nicht funktioniert.«

In der FAZ steht erst heute der Nachruf auf Kohlhaase. Bert Rebhandl muss auch hier einfach nur die vom ihm geschriebenen Filme aufzählen und Erinnerungen kräuseln sich im Kopf.

Sandra Kegel über den Nobelpreis für Annie Ernaux – unter den »bisher 119 Literaturnobelpreisgewinnern […] überhaupt erst die siebzehnte Frau«. Geht unter anderem um ihre Romananfänge: »Schon ihre ersten Sätze sitzen und sind nicht auf Seite zwei wieder vergessen. Stattdessen will man bei ihr unbedingt den zweiten Satz lesen.« Als Probe aufs Exempel dienen die Anfänge von »Die Jahre« und »Eine Frau«.

Der Artikel erinnert mich daran, dass ich den Ernaux-Artikel in der SZ vorhin übersehen haben muss, also noch mal schnell dort nachschauen, Marie Schmidt hat das übernommen und sie berichtet davon, wie vor ein paar Wochen am Literarischen Colloquium Berlin die Autorin mit ihrer Übersetzerin Sonja Finck über diesen Halbsatz aus »Die Jahre« diskutiert hat: « Aucun “je” dans ce qu’elle voit comme une sorte d’autobiographie impersonnelle – mais “on” et “nous” ».
 

Was vom Tage 36 übrig blieb:
Café Délice, Eimsbüttel

Hamburg, 6. Oktober 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 7:30 Uhr.

Familienbesuch in Eimsbüttel, Playdate, Spaziergang, Spielplatz Telemannstraße. Zu guter Letzt noch ins …

Café Délice
Osterstraße 168
(Eimsbüttel)

… wo wir draußen an Tisch Nummer 31 Platz nehmen.

Espresso: €3,00.

Na ja, und in der SZ zuerst Göttlers Nachruf auf Wolfgang Kohlhaase, im Prinzip muss der Nachrufschreiber ja nur all die schönen Filme aufzählen, denen Kohlhaase das Drehbuch geschrieben hat, und genau das macht Göttler auch.

Die ZEIT (Ausgabe 41/2022) diesmal nicht so interessant. Um trotzdem was zu lesen, Hanno Rauterberg zu DALL·E 2, »eines dieser Programme, über die gerade aufgeregt diskutiert wird«. Hab damit auch schon experimentiert und war ganz psyched, hatte es aber auch schnell wieder vergessen:

Schnell noch die FAZ aufblättern, wo mich die Rezension von Emilia Kröger zu Franziska Gänslers Roman »Ewig Sommer« in den Bann zieht, das Setting ein einsames Hotel, außerdem noch Waldbrandgebiet, »ein hochaktuelles und vielversprechendes Romandebüt«, würde ich sofort lesen, wenn ich grad die Zeit hätte.

Abends noch mal raus, beim Zirkeln um den Block einmal durchs neue Jens-Friebe-Album.
 

Was vom Tage 35 übrig blieb:
Kropkå, Eimsbüttel

Hamburg, 5. Oktober 2022, 23:00 | von Paco

Aufwach: 6:45 Uhr.

Morgens läuft im Hintergrund die neue Folge von Katherine Ryans Podcast »Telling Everybody Everything« (»Dahmer«).

Mittags nach Eimsbüttel zu Marc, der zufälligerweise nun in der alten Wohnung von Gerd Haffmans wohnt. Wir streunen ausgiebig durchs Viertel (die Garmin wird für unseren Spaziergang über 10.000 Schritte anzeigen), mittendrin werden wir immer mal wieder von den sprichwörtlichen älteren Damen angehalten, die voller Komplimente einen Blick in die Trage erhaschen wollen.

Dann hinein ins …

Kropkå
Eppendorfer Weg 174
(Eimsbüttel)

Bzw. nicht hinein, wir setzen uns draußen hin in den Spätsommeroktober. Rechts neben dem Kropkå befindet sich der Dittsche-Drehort Eppendorfer Grill-Station (ein Hauch von Grillhähnchen zieht herüber).

Das Café hat sehr viele Kindersitze, in denen sich ein halbes Dutzend Null-bis-Drei-Jährige niedergelassen haben. Auch für uns ist noch einer übrig und wir essen und trinken und erzählen eine Stunde oder so. Wir bonden auch ein bisschen mit dem Personal, und interessant ist zum Beispiel, dass ›Kropkå‹ ein Fantasiename ist, weder polnisch noch skandinavisch gemeint!

Espresso: €2,20.

Zeitungen überfliege ich erst später während des Babynachmittagsschlafs im Stadtpark. In der SZ zuerst aus alter Verbundenheit Max Fellmanns Rezension der neuen, zehnten Björk-Platte, »Fossora«. Er beschreibt den Inhalt ihres Albums »Debut« vor 29 Jahren sehr schön mit: »Techno plus Island-Pop plus Alien-Charme«. Ich kann mich noch sehr erinnern, wie ich zum ersten Mal »Big Time Sensuality« gehört habe 💥 und dann in den nächsten Wochen tausend weitere Male. Ein bisschen der Subtext in Fellmans Artikel ist, und damit steht er sicher nicht allein, dass es seit »Debut«, na ja, nicht unbedingt immer besser wurde. Ansonsten ist sein Artikel eine einzige Lobpreisung von Björks Stimme, »das einmaligste aller Instrumente«, okay!

Eine Seite weiter Peter Richter über die Louise-Bourgeois-Ausstellung im Gropius-Bau, da wollte ich eigentlich auch noch hin, aber schaffe das leider nicht mehr bis zum 23. Oktober, kleiner Trost: »inzwischen wird praktisch auch jederzeit irgendwo anders das Werk der Louise Bourgeois gezeigt«.

Will die SZ schon aus der Hand legen, als ich auf der Medien-Seite noch Willy Winkler entdecke, Rezension der dreiteiligen Doku-Serie »Petra Kelly – Der rätselhafte Tod einer Friedensikone« (auf Sky). Die Spielszenen innerhalb der Doku gehören »zur Guido-Knopp-Anmutung, ohne die Zeitgeschichte im Fernsehen offenbar nicht geht« usw.

Der Babynachmittagsschlaf dauert noch etwas länger, und ich schaue das SuKuLTuR-Leseheftpaket durch, das mir Marc eben mitgegeben hat. Ich bleibe bei Leonhard Hieronymi hängen, »Materialien zur Kritik Jodie Fosters«, weil Kapitel 2 in Leipzig spielt, im Juni 2008, während der Verleihung des »BILD Osgar«, falls diesen Preis noch jemand kennt. Genrebezeichnung der Erzählung: »Ein Stunt«, und in 10 Minuten oder so rase ich durch die 14 Seiten, und beschwingt durch den manifestösen Ton der letzten Sätze schaue ich in plötzlich offene Babyaugen und wir setzen unsere Reise durch den unendlichen Hamburger Stadtpark fort, immer gefangen in der »continuidad de los parques«, von der Cortázar schrieb.

Ach so, heute wurde auch der Podcast von Cathy Hummels und Heinz Strunk gedroppt, höre abends noch schnell den ersten Teil.
 

Was vom Tage 34 übrig blieb:
Die Villa, Volksdorf

Hamburg, 4. Oktober 2022, 23:00 | von Paco

»Warum musste die Weide sterben?« Das ist heute die Frage, dazu später mehr.

Aufwach: 5:45 Uhr.

🎶 Jens Friebe: Wir sind schön

Warum nicht mal – trotz Tina Uebel – nach Volksdorf? Zuerst Babyschwimmen im Bäderland. Eines der Babys hat statt einer Schwimm- einfach eine normale Windel an. Das müssen kiloweise Wasser sein, die da aus dem Becken gesaugt werden.

Nach einer fröhlichen Dreiviertelstunde mit Plantsch und Quatsch gehen wir – die Artipoppe mit Inhalt und ich – in »eines der besten Cafés in Deutschland«. Das ist ein Zitat aus dem »Feinschmecker«, nicht von mir nachgeprüft, aber es steht auf einem großen Banner, das den Aufgang zur Ohlendorffschen Villa ziert, in dem das Café residiert:

Die Villa
Im Alten Dorfe 28
(Volksdorf)

Espresso: €3,00.

An der Hauswand prangt dann ganz dissonant ein Graffiti, signalrot, aber klein und zaghaft gesprüht: »Warum musste die Weide sterben?«

Zuerst denke ich natürlich, eine ganz grüne saftige Weide ist irgendwo in der Nähe gegen den Willen der Bevölkerung plattgemacht worden. Als mir der (bisher übrigens teuerste) Espresso gebracht wird, frage ich mal nach, was es mit der Weide auf sich hat. Stellt sich heraus, es war eine andere Weide, ein Baum nämlich.

Das Graffiti draußen sei natürlich ärgerlich, Villaverschandelung and all, aber die Polizei sei da dran. Ich gehe dann unauffällig im Park hinter der Villa spazieren. Die Abholzfläche ist weiträumig mit Trassierband markiert, in der Mitte der traurige Baumstumpfrest der Weide. Zwei Fahradjungs im TKKG-Alter radeln an mir vorbei, der eine erklärt dem anderen, was hier passiert ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die beiden den Fall lösen und den Graffitisprüher (dessen im Prinzip gute Motive aber auch thematisiert werden) der Polizei übergeben werden.

Auch ich bin nun am Fall dran und habe gegoogelt. »volksdorf weide« ergibt leider keine geeigneten Treffer, und dann stellt sich raus: Laut Bezirksamt Wandsbek war es gar keine Weide, sondern eine Trauerbuche. Interessantes Täterprofil: jemand, der so angelegentlich um eine Weide trauert, die aber eine Buche ist.

Ich komme vor lauter Interesse an den Geschehnissen in Volksdorf kaum zu den Zeitungen. Die SZ heute nicht so interessant, in der FAZ viele so halbinteressante Artikel, bis ich auf Mirijam Günters Bericht aus ihren Literaturwerkstätten stoße (»Ganz unten«, in der Netzversion: »Arm zu sein ist wie eine Spinne im Netz, die nichts fängt«).