Strandlektüre

Jena, 21. Dezember 2012, 08:51 | von Montúfar

Meine Strandlektüre in diesem Jahr war Madame de Staëls »Über Deutschland«, und ich kann sagen, dass dieses Buch als Strandbuch völlig ungeeignet ist. Denn schon an Tag zwei meines Urlaubs löste sich in der salzig-sandigen Meeresbrise die Leimung meiner Paper­backausgabe. Ich hatte von nun an sehr darauf zu achten, dass besagte Brise mir nicht die hellsichtigen Betrachtungen Frau Staëls davontrug.

Da war zum Beispiel zu lesen: Die deutsche »Überlegenheit besteht in der Unabhängigkeit des Geistes, in der Liebe zur Zurückgezogenheit, in einer eigentümlichen Originalität.« Ich blickte über meinen Interpretationssache gewordenen Buchrand auf meine Landsleute hier an der Playa del Inglés und konnte nicht anders als dieser trefflichen Beobachtung vollkommen beipflichten. Doch weil die Form nun einmal den Inhalt von Literatur mitbestimmt, war ich gezwungen, meine Strandlektüre abzubrechen, die Meerluft setzte dem Buch zu arg zu.

Französische Literatur hat es eben in Deutschland noch nie einfach gehabt. Das zeigte sich erst neulich wieder in einem SZ-Artikel (Ausgabe vom 13. November 2012, S. 11), in dem sich Joseph Hani­mann fragt, warum in der zeitgenössischen französischen Literatur vor allem der Erste Weltkrieg immer noch eine so große Rolle spielt. Dass das hierzulande verwundert, liegt auf der Hand. Schließlich schrieb schon Madame de Staël: »Wer sich in Deutschland nicht mit dem Universum befaßt, hat nichts zu tun.«

In der meerfernen Vorweihnachtszeit konnte ich dieses Buch nun problemlos weiterlesen.
 

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