Fußball-Feuilleton (Teil 5):
Deutschland – Österreich (Córdoba 1978)

Rom, 15. Juni 2008, 07:15 | von Paco

Kurze Frage: Wer war 1941 Deutscher Fußballmeister?

Antwort: Rapid Wien.

Trotz der bekannten Umstände erzeugt dieser Dialogfetzen beim ersten Hören ein wenig kognitive Dissonanz. Einen ähnlichen Effekt nutzt das deutsch-österreichische Moderatoren-/Comedy-Duo Stermann & Grissemann für seinen schon legendären Córdoba-Sketch. Vor dem morgigen EM-Gruppenspiel DEU–ÖST soll hier ganz kurz daran erinnert werden.

Die Erstsendung erfolgte am 11. 11. 2004 nach 22:00 Uhr in der ORF-Sendung »Dorfers Donnerstalk«. Nachdem der nur 2,5-minütige Einspieler seit März 2006 in der Blogosphäre verlinkt und embedded wurde, hat er eine ansehnliche YouTube-Karriere hingelegt. Mehrere Versionen wurden im Laufe der Zeit bei allen möglichen Videohostern hochgeladen. Die populärste YouTube-Variante weist im Moment mehr als 430.000 Views aus.

Der Plot: Das Wiener Fernsehen greift für den Spielbericht zur Partie Österreich – Deutschland während der WM 1978 in Argentinien auf Ortskräfte zurück, zwei herrlich ignorante Altnazis. Die beiden scheinen die Endniederlage des Deutschen Reiches 1945 durch ihre Emigration irgendwie verpasst zu haben und interpretieren das Spiel nun als Sieg einer imaginären großdeutschen Mannschaft gegen sich selbst.

Demzufolge wird aus dem eigentlichen 3:2-Coup der Österreicher, dem »Wunder von Córdoba«, ein 5:0-Sieg, den »Ergebnis­einblendungen der Feindpropaganda« zum Trotz. Dabei sind vor allem die Attribute, mit denen Grissemann die Torschützen versieht, eine Ohrenweide:

1:0 – Karl Heinz Rummenigge, »der blonde Gott aus Detmold«
2:0 – Hubert Vogts, »Berti, der Kämpfer vom Niederrhein«
3:0 – Johannes Krankl, »der bergdeutsche Bomber«
4:0 – Bernd Hölzenbein, »der Hallodri aus Hessen«

Für das 5:0 (das eigentliche 3:2-Siegtor für Austria) greift Grissemann dann auf die legendäre Formulierung des Ösi-Moderators Edi Finger zurück: »Und da werd‘ ich narrisch, da schießt der Johannes Krankl das 5:0.«

Die Moderation erfolgt steif und zackig und lebt von der Akkumulation archaisch-militärisch klingender Begriffe (»Fernmelder«, »Sportskamerad«, »Zeugwart«, »Sporthemd« usw.). Wie in vielen seiner NS-Parodien scheut sich das Duo auch nicht vor Kalauern (»Um 13:45 wird angeschossen.«).

Die beiden bewahren in ihren Rollen als gute Ewiggestrige aber Haltung und verziehen keine Miene, was die Krassheit des Witzes noch etwas steigert – beim erstmaligen Sehen dürfte jedem der sprichwörtliche Döner aus der Hand gefallen sein.

(Mit Dank an Constanze von willkommen-tv.at!)

7 Reaktionen zu “Fußball-Feuilleton (Teil 5):
Deutschland – Österreich (Córdoba 1978)”

  1. Basic Thinking Blog | Warum spielen Deutschland und Österreich in Cordoba?

    […] anläßlich des Spiels Österreich-Deutschland davon erzählen, einfach mal die Erklärung […]

  2. Marcuccio

    Edi Finger junior am Samstag im »Südkurier« auf die Frage Was passiert, wenn Österreich tatsächlich gegen Deutschland gewinnt?

    »Dann beginnt eine neue Zeitrechnung. Aktuell haben wir das Jahr 30 nach Córdoba, also 30 n.C. Wenn wir am Montag gewinnen, dann haben wir ein neues Zeitalter. Wir sind dann bei Stunde Null. Komplett Null. Dann passieren wohl Dinge, die man sich noch nicht vorstellen kann.«

  3. Spitznamen (EM-Content VII) | Leere Signifikanten

    […] powerbook.blogger.de, basicthinking und Dem Umblätterer, inspiriert durch das EM-Sonderheft des Magazins […]

  4. Dique

    Und der Zeugwart hat es wieder nicht fertig gebracht allen Spielern das gleiche weiße Sporthemd zur Verfügung zu stellen ;o)

  5. Paco

    aber wenigstens hat sich ballack über sein tor nicht so geärgert wie damals berti vogts über sein 2:0 :-)

  6. Viktoria

    Ich finde es gut, dass man über so etwas noch lachen darf.

  7. Fußball-EM « aisopis’ blog

    […] ganze Geschichte gibt es hier. (Teil des wunderbaren […]

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