Stadelmeiers Theaterstadel

Konstanz, 7. August 2007, 19:23 | von Marcuccio

Grundsätzlich finde ich die Idee ja gar nicht schlecht, dass da irgendwo im deutschen Feuilleton jemand sitzt, der auf einem Spiralblock ausrechnet, auf wieviel verschiedenen Bühnen Yasmina Rezas »Gott des Gemetzels« in der kommenden Spielzeit zu sehen sein wird (auf 15) und was generell so angesagt ist auf dem Theater. Denn dafür ist das Feuilleton ja auch da, dass man nicht immer gleich »Theater heute« studieren muss, wenn man solche Dinge mal en bloc wissen will.

Nur: Wenn man sich so durch Stadelmeiers Nicht-Pointen vom letzten Samstag kämpft (Diagnose: fortschreitende »Selbstauflösung der Theater«, massive Repertoire-Vermüllung durch Roman- und Kino-Adaptionen, und erst das »Laienbeitragswesen«!), fragt man sich schon, ob es nicht unverschämt und mindestens mal wieder ein Kündigungsgrund für das F-Zeitungsabo ist, wenn einem der Spiral-Blogwart (haha) dann auch noch diese Blogging-Definition diktiert:

»Leute also, die im Internet zu allem Beliebigen beliebig was zu sagen haben«. Und dass die »Internet-Ergüsse« auch noch »aus Ostblockländern« kommen, ist ja wirklich billigste Kaltkriegsrhetorik gegen die Blogosphäre.

Gibt es denn wirklich niemanden, der das anderswo im Feuilleton nicht noch ein bisschen besser könnte? So eine Schauspiel-Saisonvorschau, meine ich? Und wo bleiben Stücke-Rankings, Bühnen-Charts, tabellarische Aufbereitungen von Theater-Trends, wie sie in anderen Feuilletonsparten längst gang und gäbe sind? Die Literaturkritik macht Buchtipps, Bestseller- und Bestenlisten, die Filmkritik kennt die besten Filme der Woche, der Saison, aller Zeiten. Sogar die Kunstkritik sortiert sich zur Grand Tour 2007. Warum nur klinkt sich die Theaterberichterstattung nicht in die Listen-Formate ein und wartet stattdessen, bis »G.St.« auch den letzten Leser vergrault hat?

2 Reaktionen zu “Stadelmeiers Theaterstadel”

  1. Paco

    Hehe, eine schöne Parodie auf die FAZ-Abbesteller-Szene. Die sammelt ja seit Jahren Argumente gegen die F-Zeitung, aber abbestellen tut sie dann sowieso keiner.

    Ich fand im Stadelmaier-Artikel übrigens das mit der »Gagenersparnis« sehr schön formuliert. Ansonsten landet er mit seinem Schmähartikel auch ein paar Treffer, diese ganze Aufzählung der theatralen Authentizitätsbemühungen ist ja wirklich schrecklich.

    Solche Laien/Profis-Crossovers kann nachgewiesenermaßen ja sowieso auch nur das Rimini Protokoll, das Stadelmaier aber auch einfach so wegdisst, ohne es namentlich zu erwähnen (»Peymannbeschimpfung«).

  2. Marcuccio

    Meine Stadelmeier-Legasthenie war natürlich reine Selbstschutz-Prophylaxe. Wer weiß denn schon, ob „Spiralblockwart“ nicht wieder ein Tort ist, der als Angriff auf die Pressefreiheit verstanden wird, zu einem Anruf von Petra Roth in der Härtelstraße und am Ende zu meiner Entlassung beim Umblätterer führt…? ;-) Denn dann bliebe mir noch nicht mal eine Stasi-Vergangenheit, die Christine Dössel atemlos mitnotieren könnte.

    Ansonsten hatte Peter Kümmel mit seiner Kabbala-These schon recht: Nur aus Stadelmaier mit zwei -a- kann man den „Alarm“ bilden, den es vor dem Herrgott der Sprachwirbelstürme, Pointenblitze und verbrannten Erde braucht. Nur: Kümmels „Es soll kein Gras mehr wachsen dort, wo seines Erachtens Unfug keimte. Seine Sprache ist bisweilen eher die der Vergeltung als die der Kritik.“ ist mir dann doch zu endzeitlich formuliert. An die Atombombe des Herrn glaube ich, bei allem Respekt, nämlich noch nicht.

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